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Totenklang

Totenklang

Titel: Totenklang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sinje Beck
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Organe, was für eine krude Mischung liegt da jetzt gegenüber des Klosters auf dem Waldboden verstreut. Ob ein gefülltes Stück Streuselkuchen die Hunde nicht zu sehr ablenkt, fragt sich Kalle, wobei der Advokat der Ansicht ist, dass gut ausgebildete Suchhunde sich dadurch nicht verlocken ließen.
     
    Elle, Speiche, Schlüsselbein, bilden die Knochensorten in meinem Kopf einen Reigen. Beide Fahrer hätten nur leichte Verletzungen erlitten, rauscht und knackt die Stimme des Moderators von Radio Siegen aus meinen Boxen. Weitere Informationen und Interviews mit Augenzeugen und dem Klinikleiter, der bis dato nicht zur Verfügung stand, werden für den Lauf der Sendung angekündigt. Mit dem vorläufigen Ende der Meldung gibt mein Empfang die Frequenz für einen hessischen Sender frei. Landesgrenzen durch die Luft.

36
     
    Was brauche ich das Radio, wenn ich Rudi habe. Als ich zur Tankstelle komme, sehe ich ihn bereits, wie er mit dem Abladen des Wäscherei-Transporters beschäftigt ist. Ruckelnd rutscht der Sprinter von der Ladefläche, begleitet von Flüchen seitens Rudi, was verwunderlich ist, denn normalerweise ist er die Ruhe selbst. Beim Näherkommen erkenne ich, dass der demolierte Sprinter tiefe Kratzer und Lackspuren seitlich an der Beifahrerseite seines Abschleppers hinterlassen hat. Ich erspare mir die Frage, wie das passieren konnte.
    »Scheiße, Mann, alles nur, weil ich mich so beeilen musste! Der Bäckerwagen sollte ja auch noch von der Straße. Wo warst du überhaupt? Wenn man dich mal braucht …«, knurrt Rudi, ohne mich anzusehen, »da war die Hölle los, du glaubst gar nicht, wie viele Leute für ein Stück Bienenstich einen Unfall riskieren. Der Inhalt einer Bäckertheke lag, teilweise noch gut verpackt, auf der Straße verteilt, oh, Mann!«
    »Großeinsatz also. Wart ihr beide unterwegs?«, frage ich.
    »Schrauberklaus ist eingesprungen, musste aber wieder weg. Kannst den Bäckerwagen abladen«, sagt Rudi, um sich anschließend weiterer Selbstbeleidigungen auszusetzen, in Form von Wiederholungen wie:
    »Nänänä, ich Dämel, wie kann man nur so blöd sein – in der Ruhe liegt die Kraft, nänänäää.«
     
    Der Bäckerwagen ist so was von hinüber, beinahe in zwei Hälften, wie ein in der Mitte angeschnittenes Brot. Wie es aussieht, hat der Sprinter den Subaru noch seitlich erwischt. Schrauberklaus erwähnte mal, dass, wenn Fahrzeuge von der Seite einen ordentlichen Knuff bekämen, der Aufprallschutz auch nicht viel nütze, was sein Nachbar von der freiwilligen Feuerwehr bestätigen könnte. Die Unfallopfer müsse man meist rausschneiden, da könne ich mit meinem alten Peugeot ganz ohne Sicherheiten ganz beruhigt sein. Inwieweit mich das beruhigen könnte, habe ich mir dann so gedacht, dass ich nach einem Crash sicher tot bin, wohingegen Neuwagenseitenaufprallschutzfahrer mit einem Querschnitt davonkämen.
    Laut Radiobericht hätten die Fahrer dieser beiden Schrotttransporter noch mal Glück gehabt und seien nur leicht verletzt.
     
    Nach gut zwanzig Minuten haben wir die Blechhaufen abgeladen und die Abschleppwagen stehen für ihre nächsten Einsätze bereit. Mich treibt die Neugier zum Wäscherei-Sprinter. Ob es hier noch was zu sehen gibt? Im Bäckerwagen fanden sich nur noch Krümel. Nicht mal die sind im Sprinter zu entdecken. Die Einsatzkräfte haben ganze Arbeit geleistet.
    »Weg da«, schreit Rudi, der eilig aus Richtung der Toiletten herbeigelaufen kommt, »ist bestimmt infektiös – zumindest haben die Typen vom Aufräumkommando unter Schutzbedingungen daran gearbeitet. Dann haben sie alles desinfiziert, sagen sie.«
    »Also, ist das Ding nun sicher oder nicht?«
    »Ich trau denen nicht. Hab mir jetzt vielleicht die Pest oder die Cholera auf den Hof geholt.« Rudi scheint immer noch mächtig aufgebracht zu sein.
    Ich beschließe, dem Sprinter fernzubleiben, zumindest solange Rudi in der Nähe ist. Susannes Ruf kommt wie bestellt:
    »Ruudiiii, Telefon!«
    Kaum ist er um die Ecke, höre ich es klingeln und vibrieren. Nicht das Tankstellentelefon, sondern es klingelt aus dem Sprinter heraus, die ersten Takte einer Melodie, wie sie Helfried Brandt gefallen könnte, keltische Flötentöne. Schnell schlüpfe ich durch die fehlende Hecktür und spüre die Geräuschquelle auf, die sich beim Beifahrersitz befindet. Zwischen Rückenlehne und Sitzfläche klemmt das Handy. Als hypochondrisch veranlagter Bedenkenträger wundere ich mich darüber, dass ich ohne Handschuhe danach greife und auf die

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