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Totenklang

Totenklang

Titel: Totenklang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sinje Beck
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mitgehört.
    »Iss den man nicht«, warnt Rudi.
    »Warum? Den hat Jupp geschenkt«, Susanne bleibt bei dem Vorhaben, sich Hefegebäck einfahren zu wollen.
    »Und woher hat Jupp den Kuchen?«, fährt Rudi fort, seine Frau vom Essen abzuhalten.
    »Aus Siegen, sagt er. Er hat seinen Cousin besucht. Dem haben sie gestern beide Beine amputiert und jetzt«, sie lacht ein wenig verächtlich, »kann er schon wieder rauchen, sagt Jupp.«
    Rudi nimmt den Kuchen, auch das Stück aus Susannes Hand, das sich ganz knapp vor ihren Lippen befindet, und wirft alles in die große, rote Abfalltonne für Restmüll.
    »Hör mal auf deinen Mann«, murrt er und lässt seine Frau mit offenem Mund und einem Fragezeichen im Gesicht stehen.
    »Kuchen und Kackwindeln lagen vorm Kloster sehr dicht beieinander«, erkläre ich ihr knapp. Mehr als ein Aber bringt Susanne nicht mehr hervor, sie rennt Richtung Toilette.
     
    Als sie blass wiederkommt, biete ich ihr einen Tee an, doch sie will lieber einen Schnaps. Nach dem dritten Kurzen bittet sie mich, uns doch einige Brote zu schmieren, was ich sehr gerne tue, denn mir hängt der Magen in den Kniekehlen.
    »Weißt du, Heiner, ich habe nie zuvor gewusst, dass du so ein super Brotschmierer bist. Wie konntest du dieses Talent so lange vor mir verbergen?«, nuschelt Susanne zwischen den Bissen und weiteren Schlucken Obstbrand.
    »Brote von anderen schmecken immer besser, weil man sie nicht selbst machen muss – so sehe ich das.«
    »Typisch Heiner, immer hübsch bescheiden. Trink noch einen«, meint sie kauend und schüttet mir ein Wasserglas voll, meine abwehrende Geste ignorierend.
    »Auf das Leben!« Ich bin zu höflich, ihrem Trinkspruch nicht Folge zu leisten und mit ihr anzustoßen und einen ordentlichen Schluck des hochprozentigen Zeugs (Slibowitz, doppelt gebrannt) hinunterzukippen. Es wärmt angenehm und macht mich noch bettschwerer.
    Susanne allerdings auch. Sie kippt gegen meine verletzte Schulter. Doch dank Alkohol merke ich keinen echten Schmerz, lediglich ein dumpfes Ziehen.
    »Sag mal, warum bist du eigentlich alleine? Ich würde dich sofort nehmen – ups«, bemerkt sie und richtet sich wieder auf, als ihr ihre Schräglage bewusst wird, »ich glaube, ich geh jetzt ins Bett. – Tschuldigung«, fügt sie an und ich überlege kurz, wofür sie sich entschuldigt. Es galt wohl mehr ihr selbst.
    »Sagt man neuerdings Entschuldigung statt Gute Nacht?«, frage ich mit einem Lächeln. Sie grinst ein wenig schief zurück und verschwindet. Ich räume das kleine Gelage zusammen, anschließend werde ich duschen und ins Bett gehen. Über so vieles wollte ich noch nachdenken, doch irgendwie weiß ich nicht mehr worüber.
    Der Anruf, du Dämel, schimpft der Advokat. Morgen ist auch noch ein Tag, gähnt Kalle. Der Beutel mit dem sichergestellten Handy liegt neben der Kaffeemaschine. Ob ich ihn an mich nehmen sollte? Wenn er morgen noch da liegt, dann, beschließe ich, der zu keiner Entscheidung mehr fähig ist heute. Über eine halbe Flasche aus der Hinterhofproduktion Susannes jugoslawischen Onkels haben wir gebitscht, das gibt sicher Kopfschmerzen, nein, wahrscheinlich Gastritis oder beides. Am besten, ich werfe mir gleich schon eine Aspirin ein und spüle die mit in Wasser gelösten magensaftberuhigenden Tropfen herunter.

38
     
    Mittwoch
     
    Ich habe geschlafen wie ein Toter. Umso unsanfter kommt mir der mich weckende Radau vor. Kaffeemaschinengeklapper. Ansonsten ein gern gehörtes Geräusch, doch im Moment empfinde ich es als störend. Ich werfe einen zaghaften Blick auf meine Uhr. Schon zehn! Das gibt es doch nicht. Mir ist, als hätte ich irgendwas Wichtiges verschlafen.
    »Seit wann hast du ein Handy?«, kommt Susanne einen Bruchteil nach ihrem Anklopfen ins Zimmer gerauscht.
    »Huch«, sagt sie entschuldigend, »du liegst ja noch.« Dabei wirft sie mir den Klingelbeutel auf die Bettdecke. Auf dem Display des Handys in der Gefriertüte ist ein Name zu erkennen: Uriel. Schnell drücke ich auf Annehmen, in der Hoffnung, die Dame von gestern ist wieder dran.
    »Ja«, murmle ich verschlafen.
    »Wo bist du denn? Ich habe mir Sorgen gemacht«, höre ich. Auweia, was sage ich bloß, ich kann so schlecht lügen.
    »Alles in Ordnung«, nuschle ich. Gleichzeitig ist aus dem Hintergrund eine Ladenglocke zu vernehmen. Dann raschelt es an meinem Ohr und ich höre die Frau zögerlich sagen:
    »Wie, du hier? Und wer ist dann da …?« Zack, aufgelegt.
    Wenn das nicht eben das Geläut aus dem Sternenstaub

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