Totenkönig (German Edition)
seiner Enkel längst gestorben waren.
„Wie konnte es zu solch einem Krieg kommen?“
„Die Menschen beschworen jene Finsternis in Ken-Tunys herauf. Sie ließen sich mit einer fleischlosen Gottheit ein.“
„Seit jenen dunklen Tagen musst du uns Menschen wahrlich ha ssen.“
„Ihr habt Taten begangen, für die euch verurteile, doch hassen will ich euch nicht. Eure Sterblichkeit beeinflusst eure Handlung sweise, und für gewöhnlich seht ihr die Welt mit anderen Augen. Wenn Menschen gegeneinander kämpfen, dann geht es meist um Macht und Einfluss, um Rohstoffe und Reichtum, oder gar um Liebe. Doch wenn Unsterbliche die Waffen erheben, füreinander oder gegeneinander, dann steht das Schicksal der ganzen Welt auf dem Spiel. Ebenso wie in der Natur gibt es auch unter den Göttern zerstörerische Kräfte, die danach streben, große Veränderungen zu bewirken. Die meisten Sterblichen ahnen nicht einmal, was alles in der Welt geschieht. Wie oft die Götter miteinander ringen, wie oft eure Menschenwelt dem Untergang geweiht war. Es gab schon immer tyrannische Götter, die eine neue Welt erschaffen wollten, in der ihr Sterblichen kein Recht auf Selbstbestimmung gehabt hättet. Ein jämmerliches Dasein als Schlachtvieh hätte euch bevorgestanden. Doch ich kämpfte für euch, weil ich daran glaube, das ihr Sterblichen es wert seid, in Freiheit zu leben.“
„Auch wenn manche von uns diese Freiheit dazu nutzen, um die Freiheit der anderen zu zerstören?“
„Ja. Es liegt in euer Natur, es liegt in unser aller Natur.“
Kapitel 4 – Die Pyramide von Meridias
Die hohen Türme und Festungen von Eisenburg ragten als brennende Mahnmale des Grauens in den schwarzen Himmel empor. Die Stadt der tausend Schmieden bestand nur noch aus Ruinen. Die Strygarer hatten noch nicht lange unter der Bevölkerung gewütet, doch ihr Werk war blutig gewesen. Die Leichen ihrer Opfer stapelten sich bergeweise auf den Straßen und früheren Marktplätzen. Und als hätten die Bestien ein makabres Kunstwerk erschaffen wollen, zierten abgefressene Gebeine und Köpfe die Zinnen der Festungen, und an den einstigen Fahnenstangen flatterten abgezogene Menschenhäute.
Doch bei all ihrer Raserei, ihrem Blutdurst und ihrer Stärke waren die Strygarer den Geistern der gefallenen Kentaren nicht gewachsen. Der Angriff auf Eisenburg war nur eine weitere Schlacht in einem Feldzug, der tausend Tage und Nächte angedauert hatte. Eine Mon otonie des Abschlachtens, die Larkyen dennoch nie vergessen würde.
Auf seinen Befehl hin fegten einer Sturmwoge gleich die Geister von beinahe einhunderttausend Kentaren über Eisenburg hinweg und zerschmetterten jeglichen Widerstand der Strygarer binnen kurzer Zeit. Sie kämpften mit Schwertern und Äxten, mit Speeren und stä hlernen Krallen, die sie der blutgetränkten Erde der Schlachtfelder ihres Heimatlandes entrissen hatten. Manchmal war es nötig, Feuer mit Feuer zu bekämpfen, Stahl mit noch härterem Stahl, und Bestien mit noch gefährlicheren Bestien. Das Totenheer ging siegreich und verlustfrei aus jeder weiteren Schlacht hervor, denn was bereits tot war, vermochte kein weiteres Mal durch Reißzähne und Klauen oder durch Stahl zu sterben. Erinnerungen, alles nur Erinnerungen, die ihn manchmal, in Momenten der Einsamkeit, wie Nachtmahre heimsuchten.
Der Morgen graute, und mit den ersten Sonnenstrahlen begann sich erneut die Tageshitze über Meridias zu legen. Auf den Straßen war es längst still geworden, und auch in den Räumen des Gasthauses war Ruhe eingekehrt. Khorgo war zu Bett gegangen, der viele Wein hatte ihn betrunken und so schwerfällig gemacht, dass Larkyen ihn hatte stützen müssen.
Larkyen ging durch einen Flur, seine Schritte waren völlig lau tlos. Hinter den Zimmertüren konnte er vereinzelt das Atmen der schlafenden Majunay hören. Die Flüchtlinge wiegten sich in Sicherheit, zuviel schreckliche Erlebnisse lasteten auf ihnen. Khorgo hatte nicht darüber gesprochen, vermutlich aus Scham, aber die anderen Majunay hatten hinter vorgehaltener Hand von Massenhinrichtungen durch Sandokars Truppen erzählt. Wenn ein Nomadenstamm sich weigerte, für seine Heimat an der Front im Süden zu kämpfen, wurde er gnadenlos ausgelöscht.
Larkyen war froh, dass Khorgo einem solchen Tod entgangen war. Dennoch war es dem alten Freund sichtlich schwergefallen, die eigene Heimat zu verlassen und in der Ferne einen Neuanfang zu wagen. Aber es war die richtige Entscheidung gewesen. Wenngleich
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