Totenkopf-TV
oder dem Knirschen des Spiegelglases. Beides blieb aus, dennoch tat sich etwas, und zwar innerhalb der Nebelwolken. Dort zeichnete sich ein Gegenstand ab. Sehr schwach nur zu erkennen, aber eine gewisse Form haltend, die mich an einen Schädel erinnerte.
An den Totenkopf!
Ellen hatte ihn gesehen. Nun war ich ebenfalls in der Lage, mich von diesem Anblick überzeugen zu können, und ich sah tatsächlich diesen gelblichen Kopf innerhalb der Schwaden.
Da sich der ihn umgebende Nebel auch bewegte, hatte ich das Gefühl, als befände sich der Kopf in einer gewissen Unruhe. Leider kam er nicht weiter vor, er blieb an seinem Platz und bewies mir noch, dass der Spiegel magischen Gesetzen gehorchte.
Natürlich besaß ich noch die große Chance, mein Kreuz zu aktivieren. Ich brauchte nur die Formel zu rufen, aber das hätte auch keinen Sinn gehabt. Die dann entstehende Magie war sehr stark. Unter Umständen hätte sie den Spiegel zerstört und uns damit einen Zugang zu einem anders dimensionierten Reich verschlossen.
Etwas musste ich tun! Zum Glück wurde mir die Entscheidung abgenommen, da andere Kräfte eingriffen.
»John, verflixt, die Leiche!«
Ich drehte mich auf der Stelle. Wenn Bill schon so rief, rechnete ich mit einem Zombie. Das war nicht der Fall.
Die Leiche hatte sich aus eigener Kraft nicht bewegt, sie war nicht aufgestanden, etwas anderes geschah. Wie von unsichtbaren Händen getragen, erhob sie sich von der Liege…
Wir standen da, staunten und taten zunächst einmal nichts, weil wir den Anblick erst verkraften mussten. Beide hatten wir einiges durchgemacht, waren auch abgebrüht durch unseren Job, dennoch schockte uns der Anblick, wie die Tote auf einmal in die Höhe glitt. Vor Jahren hatte ich den Film »Der Exorzist« gesehen. Da war mit einem Mädchen etwas Ähnliches passiert, und auch in der herrlichen Horror-Komödie »Ghostbusters« hatte der Zuschauer eine ähnliche Szene erleben können, aber in beiden Filmen hatte die entsprechende Person noch gelebt. Hier war es anders.
Eine Leiche stieg der Decke entgegen. Sie sah so schmal aus, war völlig steif, glich irgendwie einem Brett und hatte beide Arme eng an ihren Körper gepresst, als würden weitere Kräfte sie dagegen drücken. Der Ausdruck des Gesichts hatte sich nicht verändert. Noch immer war die Haut so bleich. Sie wirkte dünn und gleichzeitig auch durchscheinend. Inzwischen war sie schon so hoch gestiegen, dass sie sich mit meinen Augen auf gleicher Blickebene befand und ich das Profil der Toten deutlich erkennen konnte. Spitz stach die Nase hervor. Fast wie ein kleiner Balken wirkte sie, und die Wangenhaut schien nach innen gedrückt zu sein.
Ich schaute Bill an.
Auch der Reporter konnte es nicht fassen. Er stand da und schluckte einige Male. Dabei öffnete sich sein Mund. »Das ist doch nicht möglich!« wisperte er.
Meine Blicke pendelten sich wieder auf den großen Spiegel ein. Dort lag die Ursache, die Wirkung erkannte ich an der schwebenden Leiche. Meiner Ansicht nach mussten Kräfte, die innerhalb des Spiegels lebten, der Grund dafür sein, dass sich die Leiche ohne irgendeine sichtbare Kraft in die Höhe bewegte.
Auch ich war zu keiner Erklärung fähig und schaute, wie auch Bill, weiterhin zu, was mit der Leiche geschah.
Sie erreichte nicht die Decke. Kurz bevor ich sie berühren konnte, stoppte sie. Für einen Moment behielt die schwebende Tote diese Haltung bei, dann drehte sie sich langsam herum, so dass sie mir vorkam wie ein träger Propeller.
Es war keine volle Umdrehung, die sie hinter sich ließ, nur eine halbe, aber sie blieb so stehen, dass ihr Kopf genau auf die Spiegelwand gerichtet war.
War das ihr Ziel?
Ein anderes konnte ich mir nicht vorstellen. Bedächtig setzte sich die Leiche wieder in Bewegung. Wenn ich sie jetzt erreichen wollte, musste ich mich schon auf die Zehenspitzen stellen und meinen Arm so weit wie möglich ausstrecken, aber ich rührte mich nicht und erlag der Faszination dieses lautlosen, unheimlichen Vorgangs. Gespenstergleich oder wie unter Hypnose stehend schwebte die tote Ansagerin auf das obere Viertel der breiten Spiegelfläche zu. Nicht einmal der Kleiderstoff warf Falten oder fiel nach unten, alles blieb in der Waagerechten.
»John, tu etwas!« drängte Bill. »Sie wird von dem Spiegel aufgesaugt, glaub mir das!«
»Okay, ich versuche sie zu halten!«
Eigentlich widersprach dieser Vorsatz meiner inneren Überzeugung, doch wie hätte ich sie sonst aufhalten können? Es gab nur
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