Totenkünstler (German Edition)
in ihre Worte hineininterpretierte, fügte sie rasch hinzu: »Eine Zeitlang war ich ziemlich oft hier. Ich esse für mein Leben gern Italienisch, und der Koch ist ein Gott. Wahrscheinlich der beste in diesem Teil der Stadt.«
Hunter konnte ihr nicht widersprechen. »Aber jetzt kommst du nicht mehr so oft her?«
»Seltener als früher. Ich liebe nach wie vor italienische Küche, aber man wird nicht jünger, und ich muss wirklich aufpassen, was ich esse. Überflüssige Pfunde loszuwerden ist nicht mehr so leicht, wie es mal war.«
Hunter faltete seine Stoffserviette auseinander und legte sie sich in den Schoß. »Ich finde nicht, dass an dir viel Überflüssiges dran ist.«
Alice hielt inne und sah ihn mit einem seltsamen Ausdruck in den Augen an. »Hast du mir etwa gerade ein Kompliment gemacht?«
»Ja, aber es war nichts als die Wahrheit.«
Alice strich sich die Haare hinter die Ohren und schwang sie sich über die linke Schulter. Eine befangene, aber zugleich auch verführerische Geste.
Die völlig unbemerkt blieb.
»Sollen wir bestellen?«, fragte Hunter.
»Klar, warum nicht«, lautete Alices nicht gerade überschwängliche Antwort.
Sie bestellten beide Spaghetti. Hunter nahm seine à la Primavera, Alice entschied sich für die Spezialität des Küchenchefs, scharfe Fleischbällchen und sonnengetrocknete Tomaten. Sie teilten sich eine Flasche Rotwein und gaben sich Mühe, während des Essens nicht über den Fall zu sprechen.
»Wie kommt’s, dass du nie geheiratet hast?« Diese Frage von Alice kam gegen Ende der Mahlzeit, als der Kellner ihnen gerade den letzten Wein einschenkte. »Wie ich schon sagte, in der Schule waren fast alle Mädchen in dich verknallt. Ein Mangel an Gelegenheit kann es also nicht gewesen sein.«
Hunter musterte Alice, während er einen Schluck von seinem Wein trank. Ihr Blick verriet lebhaftes Interesse, fast wie bei einem Reporter, der einer Story auf der Spur ist. »Es gibt bestimmte Dinge, die sich einfach nicht miteinander vertragen. Mein Beruf und das Eheleben zum Beispiel.«
Alice schürzte die Lippen und verzog dann den Mund. »Das ist so ziemlich die lahmste Begründung, die ich je gehört habe. Viele Polizisten sind verheiratet.«
»Stimmt, aber viele lassen sich auch wieder scheiden. Der berufliche Druck ist einfach zu groß.«
»Aber sie versuchen es wenigstens und verstecken sich nicht hinter einer faulen Ausrede. Was ist mit dem alten Sprichwort, dass es besser ist, geliebt zu haben und die Liebe zu verlieren, als nie geliebt zu haben?«
Hunter zuckte mit den Schultern. »Nie gehört.«
»Schwachsinn.«
Sein Lächeln verriet ihn.
»Was ist mit Carlos?« Alice ließ sich nicht von dem Thema abbringen. »Der ist doch auch verheiratet. Willst du etwa behaupten, dass seine Frau ihn früher oder später wegen seines Jobs verlassen wird?«
»Manche Menschen haben unheimlich viel Glück im Leben – oder zumindest genug, um den einen Menschen zu finden, der für sie bestimmt ist. Carlos und Anna sind ein Beispiel dafür. Ich glaube nicht, dass man irgendwo zwei Menschen findet, die besser zueinander passen. Ganz egal wie lange man sucht.«
»Und du hast so einen Menschen nie gefunden? Die eine, bei der du das Gefühl hattest, dass du für den Rest deines Lebens mit ihr zusammen sein willst?«
Schlagartig wurde Hunter von Erinnerungen überschwemmt. Bilder eines Gesichts … der Klang eines Namens. Er spürte, wie sich das Herz in seiner Brust erwärmte, doch dann, als die Erinnerungen immer heftiger auf ihn einströmten, wurde es eiskalt.
»Nein.« Hunter hielt ihrem Blick stand, auch wenn er sich sicher war, dass etwas in seinen Augen ihn verriet.
Alice bemerkte es. Zuerst war sein Blick voller Zärtlichkeit, dann wurde er plötzlich hart und eisig und gequält. Trotz aller Neugier sah sie ein, dass sie kein Recht hatte, ihm weitere Fragen zu stellen.
»Tut mir leid.« Sie brach den Blickkontakt ab und wechselte das Thema, ehe das Schweigen unangenehm werden konnte. »Zu dem zweiten Schattenbild hast du also noch nichts rausgefunden?«
»Nichts, nein.«
»Verrat mir mal eins. Glaubst du, dass wir das erste Bild richtig interpretiert haben? Dass der Täter uns damit wirklich sagen wollte, dass er Derek Nicholson für einen Lügner und Betrüger hält?« Sie hob die Hand, um Hunter davon abzuhalten, vorschnell zu antworten. »Ich weiß, dass wir uns erst dann hundertprozentig sicher sein können, wenn wir den Täter gefasst haben. Aber hast du das Gefühl ,
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