Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totenkünstler (German Edition)

Totenkünstler (German Edition)

Titel: Totenkünstler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Carter
Vom Netzwerk:
dass unsere Deutung richtig ist?«
    Hunter ahnte bereits, worauf sie hinauswollte. »Ja.«
    »Aber beim zweiten Schattenbild hast du Zweifel.«
    »Ja.«
    Alice nippte nachdenklich an ihrem Wein. »Carlos, du und ich, wir haben Ewigkeiten über der Skulptur und dem Schattenbild gebrütet, um rauszufinden, was es bedeutet. Ich glaube nicht, dass mehr dahintersteckt als das, was wir von Anfang an gesehen haben. Captain Blake ist derselben Meinung. Warum denkst du, dass wir falschliegen? Wieso sollte der Täter das Schattenbild nicht dazu benutzt haben, um uns mitzuteilen, dass er noch zwei weitere Opfer im Visier hat?«
    Der Kellner kam an ihren Tisch, um das Geschirr abzuräumen. Hunter wartete, bis er sich, die Teller gekonnt auf den Armen balancierend, entfernt hatte.
    »Meiner Ansicht nach ist der Sprung von der ersten zur zweiten Interpretation zu groß. Sie ergibt ganz einfach nicht viel Sinn.«
    Alice machte große Augen. »Sinn? Was an diesem Fall ergibt schon einen Sinn, Robert? Wir haben es mit einem geistesgestörten Egomanen zu tun, der Leute in Stücke hackt und Skulpturen aus ihrem Fleisch macht, um uns irgendwelche verrückten Botschaften zu übermitteln. Wie um alles in der Welt kann man da von Sinn reden?«
    Hunter warf hastig einen Blick zu den Nachbartischen, um zu sehen, ob jemand Alice gehört hatte. Vor lauter Erregung war ihre Stimme um einige Dezibel lauter geworden. Die anderen Gäste jedoch schienen weit mehr auf ihr Essen und ihren Wein konzentriert als auf die Unterhaltung Fremder. Er drehte sich wieder um.
    »Für uns ergibt es keinen Sinn, weil wir ihn noch nicht entschlüsselt haben. Für den Täter aber schon. Sonst würde er es ja nicht machen.«
    Alice dachte schweigend nach. »Das ist es, was du die ganze Zeit versuchst, oder? So zu denken wie er. Den Sinn zu sehen, den nur er sehen kann.«
    »Tja, es ist schon eine Woche um. Bis jetzt habe ich wohl kläglich versagt.«
    »Nein, das hast du nicht.« Sie legte eine Hand auf den Tisch, und ihre Fingerspitzen streiften dabei Hunters Handrücken. »Du hast viel mehr erreicht als erwartet. Wenn du nicht wärst, würden wir immer noch mit rauchenden Köpfen vor diesen Skulpturen sitzen.«
    Hunter sah Alice an. »Hast du mir gerade ein Kompliment gemacht?«
    »Nein, ich habe lediglich die Wahrheit gesagt. Aber was hast du eben damit gemeint, der Sprung zwischen der ersten und der zweiten Interpretation ist zu groß?«
    »Würden Sie gerne einen Blick in die Dessertkarte werfen?« Der Kellner war wieder aufgetaucht.
    Alice schüttelte den Kopf, ohne ihn anzusehen. Hunter schenkte ihm ein freundliches Lächeln.
    »Ich glaube, wir sind nach der Hauptspeise schon voll. Wir haben keinen Platz mehr für Nachtisch, vielen Dank.«
    » Prego «, erwiderte der Kellner und ging seiner Wege.
    »Was für ein Sprung?«, beharrte Alice.
    »Wenn wir mit unserer Deutung des ersten Schattenbildes richtigliegen, dann hat uns der Täter darin seine persönliche Meinung von Derek Nicholson mitgeteilt, richtig? Er hält ihn für einen Lügner.«
    Alice lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. Ganz allmählich fügten sich die Gedanken in ihrem Kopf zusammen.
    »Und wenn wir mit unserer Deutung des zweiten Bildes auch richtigliegen, dann hat uns der Killer darin eben nicht seine Meinung über Andrew Dupek mitgeteilt.«
    Alice begriff. »Sondern über sich selbst – er ist ein zorniger Teufel, der auf seine Opfer herabschaut.«
    Hunter nickte. »Ja, und mir fällt kein Grund ein, weshalb er das machen sollte. Es kommt mir einfach verkehrt vor. Der Täter will, dass wir seine Motive nachvollziehen. Dass wir verstehen, warum er diese Leute umbringt. Uns wissen zu lassen, dass er Nicholson für einen Lügner hält, weil er vielleicht von ihm hintergangen wurde, macht in dem Kontext Sinn.«
    »Aber uns wissen zu lassen, dass er selbst ein Teufel ist, der auf Rache sinnt – das macht keinen Sinn?«
    »Findest du, es macht einen?«
    Sie hob für einen Moment die Augenbrauen. »Nein«, musste sie schließlich einräumen. »Also glaubst du, dass er mit dem zweiten Bild in Wirklichkeit etwas über Dupek aussagen will?«
    »Möglich wär’s.«
    »Aber was? Dass Dupek ein Teufel war? Dass jemand ihn gehörnt hat? Und was ist mit den anderen vier Gestalten, den zwei stehenden und den zwei liegenden? Was zum Geier bedeuten die?«
    Darauf wusste Hunter keine Antwort.

74
    Seine Lider flatterten wie die Flügel eines Schmetterlings – eines schwer verletzten Schmetterlings. Sie

Weitere Kostenlose Bücher