Totenkünstler (German Edition)
blutgetränkt. Der Buchdeckel war aufgeklappt. Drei von Littlewoods abgetrennten Fingern waren auf rätselhafte Art und Weise im Buch platziert worden.
Hunter runzelte nachdenklich die Stirn. Irgendetwas stimmte da nicht.
Er trat näher an den Schreibtisch heran und erkannte, dass es sich gar nicht wirklich um ein Buch handelte, sondern um eine Schachtel, die lediglich als Buch getarnt war. Von weitem sah die Attrappe täuschend echt aus.
Aus der Nähe stellte Hunter nun auch fest, dass die Finger, die in der Buchattrappe lagen, zurechtgeschnitzt und verbogen worden waren. Zwei hingen über die Seiten, der dritte war schräg gegen den Rand der Schachtel gelehnt, so dass die Fingerkuppe oben herausragte. Die Schachtel selbst war mit Blut gefüllt.
Littlewoods rechter Arm mit den kürzeren »Beinen« auf der anderen Schreibtischseite war mit Blick zum Bücherregal in der Ecke aufgestellt worden. Etwa fünfzig Zentimeter vor dem Arm lagen die aus dem Oberschenkel herausgeschnittenen Fleischstücke.
Dr. Hove und Mike Brindle, der Leiter der Kriminaltechnik, standen rechts neben dem Schreibtisch. Sie hatten beim Eintreten der zwei Detectives gerade im Flüsterton miteinander gesprochen.
Hunter blieb stehen. Genau wie bei den vorherigen Skulpturen wirkte auch hier das Ensemble aus Gliedmaßen und Blut auf den ersten Blick vollkommen sinnlos. Die Kombination mit einem Bürogegenstand machte das Ganze noch verwirrender. Er trat einen Schritt nach rechts und beugte sich vor, um die Buchattrappe genauer in Augenschein zu nehmen.
»Es ist definitiv derselbe Täter«, stellte Dr. Hove fest. »Und bei diesem Opfer hat er sich wieder was ganz Neues einfallen lassen.«
Hunter sah nicht in ihre Richtung.
»Was meinen Sie damit?«, fragte Garcia.
Die Rechtsmedizinerin entfernte sich ein paar Schritte vom Schreibtisch. »Sein erstes Opfer hat der Täter mit Medikamenten vollgepumpt, um Herzschlag und Blutfluss zu regulieren, damit es ihm nicht zu schnell verblutet. Aber er hat ihm kein Betäubungsmittel gegeben. Er hat zwar versucht, es so lange wie möglich am Leben zu halten, aber aufgrund seiner schlechten gesundheitlichen Konstitution ist es trotzdem relativ schnell gestorben. Beim zweiten Opfer, Sie erinnern sich, hat der Täter eine andere Methode angewandt.«
»Das durchtrennte Rückenmark«, sagte Garcia.
»Genau. Der Täter hat seinem Opfer die Schmerzempfindung genommen, indem er jede sensible Funktion des Körpers einfach ausgeschaltet hat. Seine Qualen waren anderer – seelischer – Natur. Es musste hilflos mit ansehen, wie ihm nacheinander all seine Gliedmaßen vom Körper abgetrennt wurden. Er hat sich buchstäblich beim Sterben zugesehen, ohne etwas dabei zu fühlen.«
»Und hier?«, wollte Hunter wissen.
Dr. Hove wandte den Blick ab, als fürchte sie sich davor, auch nur daran zu denken.
77
Mike Brindle kam um den Schreibtisch herum auf die beiden Detectives zu. Er war Ende vierzig, hochaufgeschossen und dünn wie ein Hering, mit einem Schopf dichter, graumelierter Haare und einer spitzen Nase. Er hatte schon bei mehr Fällen mit Hunter und Garcia zusammengearbeitet, als er zählen konnte. »Wir sind uns ziemlich sicher, dass das Opfer schon tot war, als es zerstückelt wurde, Robert«, erklärte er anstelle von Dr. Hove.
Hunter betrachtete den geschundenen Torso auf dem Lederstuhl. »War das Absicht?«
Brindle nickte. »So wie es aussieht, ja.«
Garcia wirkte einen Moment lang perplex.
»Soweit wir hier vor Ort feststellen konnten, hat der Täter ihn erst so lange wie möglich gefoltert, bevor er mit der Amputation der größeren Gliedmaßen begonnen und damit das Risiko eines zu hohen Blutverlusts in Kauf genommen hat. Es gibt zahlreiche kleinere Schnittwunden an Torso und Extremitäten. Tief genug, um starke Schmerzen zu verursachen, aber nicht tödlich. Die linke Brustwarze scheint mit einem nicht sehr scharfen Messer abgeschnitten worden zu sein. Die rechte weist schwere Verbrennungen auf.«
Jetzt wurde Hunter klar, weshalb die Haut um die rechte Brustwarze herum so anders ausgesehen hatte. Die ledrige Textur der Haut war Folge einer Brandverletzung, allerdings sah die Wunde nicht so aus, als sei Feuer die Ursache gewesen.
»Die Menge des ausgetretenen Blutes lässt den Schluss zu, dass die kleineren Schnitte dem Opfer zugefügt wurden, als es noch am Leben war«, fuhr Brindle fort.
»Aber hier ist unheimlich viel Blut«, wandte Garcia ein. »Das stammt doch nicht alles von den kleinen
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