Totenkünstler (German Edition)
Wirkung.«
»Soll heißen, Nicholson hat die Schmerzen in vollem Umfang gespürt«, meldete sich Garcia zu Wort, der endlich verstanden hatte, »ist dabei aber gleichzeitig länger am Leben geblieben.«
»Richtig«, sagte Hove. »Wenn jemand eine schwere Verletzung erleidet, bei der keine lebenswichtigen Organe betroffen sind, gibt es im Wesentlichen zwei Arten, wie der Tod eintreten kann. Entweder man verblutet, oder das Herz gerät unter derart großen Stress, dass es irgendwann versagt. Mit seinem Medikamentencocktail hat der Täter auf unorthodoxe Weise beide Probleme gelöst. Er wollte nicht, dass sein Opfer zu schnell stirbt, aber es sollte so viele Schmerzen empfinden wie nur irgend möglich. Weil er natürlich kein OP-Team zur Verfügung hatte, musste er sehr viel schneller arbeiten, um die Amputationen durchzuführen und die Blutung zu kontrollieren. Sein Cocktail hat ihm dabei geholfen.« Sie hielt inne und dachte über die Tragweite ihrer Worte nach. »Ich denke, das alles spricht für unseren Verdacht, dass der Mörder sich mit Medizin auskennt, Robert. Ich würde sogar sagen, er kennt sich hervorragend damit aus.«
18
Hunter und Garcia legten gleichzeitig ihre Hörer auf. Hunter faltete die Hände, stützte beide Ellbogen auf die Armlehnen seines Schreibtischstuhls und lehnte sich zurück.
»Also gut«, sagte er und drehte sich zu seinem Partner um. »Ich weiß, es ist ein Schuss ins Blaue, aber da alle drei Medikamente, die die Toxikologie nachgewiesen hat, verschreibungspflichtig sind, fangen wir am besten damit an, dass wir in Drogerien und Apotheken nachfragen, ob irgendwo alle drei Medikamente auf einmal ausgegeben wurden. Soll heißen, auf ein und dasselbe Rezept für ein und dieselbe Person. Wer weiß, vielleicht haben wir ja Glück.«
Garcia war bereits in die E-Mail vertieft, die sie soeben von Dr. Hove erhalten hatten, und schrieb sich die Namen aller drei Arzneimittel auf.
»Wie steht es mit der Liste von Verbrechern, denen Nicholson den Prozess gemacht hat?«, erkundigte sich Hunter.
»Liegt noch nicht vor, aber das Team arbeitet dran.«
»Sag ihnen, wir müssen die Liste nach neuen Kriterien ordnen. Sie sollen prüfen, ob irgendjemand auf der Liste über eine medizinische Ausbildung verfügt oder in einem Krankenhaus, Pflegeheim oder Fitnessstudio gearbeitet hat.«
Garcia wackelte fragend mit den Brauen.
»Fitnessstudio-Mitarbeiter und Personal Trainer müssen in Erster Hilfe geschult sein«, erklärte Hunter. »Wenn einer von denen auch nur weiß, wie man ein Pflaster richtig aufklebt, dann will ich darüber Bescheid wissen.«
Es klopfte.
»Herein«, rief Hunter vom Schreibtisch.
Die Tür öffnete sich, und eine zierliche, ausnehmend hübsche Frau in einem dunklen Kostüm trat ein. Sie hatte lange, glatte blondierte Haare und tiefbraune Augen. In der rechten Hand trug sie einen Aktenkoffer aus schwarzem Leder. Ihr Erscheinungsbild ließ keinen Zweifel daran, dass sie entweder Anwältin war oder für einen Anwalt arbeitete.
»Detective Hunter?«, fragte sie, wobei sie sofort Blickkontakt aufnahm.
»Ja. Kann ich Ihnen irgendwie weiterhelfen?« Hunter erhob sich.
Die Frau machte einen Schritt auf ihn zu und streckte ihm die Hand hin.
»Ich bin Alice Beaumont. Ich arbeite für das Büro des Bezirksstaatsanwalts. Also, für Bezirksstaatsanwalt Bradley persönlich. Er sagte, Sie könnten im Fall Nicholson meine Hilfe brauchen.« Sie schüttelte Hunters Hand mit festem, selbstsicherem Griff.
Garcia runzelte die Stirn.
Hunter nahm sich einen Augenblick Zeit, die Frau zu mustern. Aus ihren Augen sprach Intelligenz – sowohl die Art, wie man sie an Universitäten lernt, als auch die, die man sich auf der Straße aneignet. Ihm entging nicht, dass sie den Blick aufmerksam, aber unauffällig durch den Raum schweifen ließ. Nach nicht einmal zwei Sekunden hatte sie alles gesehen. Sie kam ihm vage bekannt vor.
»Bezirksstaatsanwalt Bradley hat mir Ihre Karte gegeben«, sagte er. »Aber vielleicht habe ich ihn falsch verstanden. Ich dachte, er hätte gesagt, ich soll Sie anrufen, falls wir Ihre Hilfe brauchen.«
»Glauben Sie mir, Detective, Sie brauchen meine Hilfe.« Ihr Tonfall drückte ebenso viel Selbstbewusstsein aus wie ihre Körperhaltung. Als Nächstes wandte sie sich an Garcia. »Sie müssen Detective Carlos Garcia sein.«
»Die Legende höchstpersönlich«, witzelte dieser und schüttelte ihr die Hand.
Alice lächelte nicht; stattdessen ging sie zu Hunters Schreibtisch,
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