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Totenkult

Totenkult

Titel: Totenkult Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Eberl
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beiseite und streckte die Hände aus, aber Henri hatte den schwankenden Aschenbach bereits am Arm gepackt, konnte den Betrunkenen jedoch nicht mehr festhalten. Mit glucksendem Gelächter stürzte Aschenbach ins Rosenbeet. Der Mann im Polo wischte sich mit dem Handrücken den Whisky aus den Augen. Seine Brust hob und senkte sich, und für einen Moment dachte Bosch, er würde sich noch einmal auf Aschenbach stürzen. Aber da trat der Mann einen Schritt zurück, drehte sich um und verschwand hastig um die Hausecke.
    »Roland, oh mein Gott …« Frau Aschenbach beugte sich über die Rosensträucher und versuchte, ihren inzwischen eher leblos wirkenden Mann am Arm zu fassen, ohne sich an den Dornen zu verletzen. »Schatz … Liebling … ist dir was passiert?«
    »Lassen Sie mich das machen, Madame.« Henri zog sie in die Höhe. »Kommen Sie, kümmern Sie sich nur um Ihre Gäste, meine Liebe. Ich bringe Ihren Mann ins Haus. Wenn er sich ein wenig ausgeruht hat, geht es ihm gleich besser.«
    Frau Aschenbach strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr. Unschlüssig schaute sie zu ihren Gästen.
    »Madame?«
    »Ja?« Ihr Blick irrte suchend herum und richtete sich dann auf einen Punkt hinter Bosch. Ihre Augen weiteten sich, als sähe sie einen Geist.
    Bosch drehte sich um, konnte aber niemanden entdecken. Hinter ihm lag nur das Gebüsch, in dem er das Steak für den Hund versteckt hatte. Die Stuhllehne ragte ein wenig hervor.
    »Wohin soll ich Ihren Mann bringen?«, fragte Henri.
    Frau Aschenbach drehte sich zu Henri und sagte: »Entschuldigung, ich bin nur so erschrocken, ich … In den ersten Stock, ins Schlafzimmer.« Ihr Blick erfasste Bosch. »Vielleicht kann Ihnen mein Nachbar helfen.«
    »Nicht doch, ich bitte Sie …« Henri bückte sich und fasste Aschenbachs Arm. »So, mein Bester, Zeit zum Aufstehen.« Er zerrte den Betrunkenen so weit hoch, dass er wie ein Haufen Elend inmitten der Rosenbüsche saß. »Allez.«
    Aschenbach starrte Henri an, als sähe er eine Fata Morgana. »Was … was tun Sie denn da?« Er fasste sich an den Kopf und stöhnte. »Ich brauche einen Drink …«
    Aber Henri schienen jetzt, wo die Augen aller Partygäste auf ihn gerichtet waren, ungeahnte Kräfte zu wachsen. Er zerrte Aschenbach hoch und fasste ihn um die Taille. Dann legte er sich den Arm Aschenbachs um den Hals und hinkte zur Terrassentür. Der Betrunkene ließ sich von ihm führen wie ein Kind, das man ins Bett bringt.
    An der Tür drehte er sich noch einmal um und hielt sein nacktes Bein in der kurzen Lederhose hoch. »Seht mal her, Leute, ich bin ganz zerkratzt. Ich brauche einen …«
    Henri zerrte ihn ins Haus.
    Im Garten war es totenstill. Als wären das Handgemenge auf der Terrasse und der Abgang des Schurken und des verletzten Helden Teile einer Inszenierung gewesen, schienen alle auf den rechten Zeitpunkt für den Applaus zu warten. Bosch fühlte sich von dem Schauspiel peinlich berührt und überlegte, ob er wohl nach Hause gehen könnte, ohne allzu unhöflich zu erscheinen. Sein Blick begegnete dem von Frau Geiersberger, die, die Hände in den Taschen ihres weißen Kittels, in der ersten Reihe zwischen den Partygästen stand. Auf ihrem Gesicht lag ein breites Grinsen.
    Ein Blitz zuckte über den Himmel und erhellte das ausladende Dach des Bauernhauses. Gleich darauf rollte Donner über den See. Der Bann war gebrochen, und alle fingen an durcheinanderzureden. Als wäre der Mechanismus einer Spielzeuguhr eingerastet, begaben sich die Kellner wieder auf die Runden mit ihren Getränketabletts. Vor dem Grill mit dem rotierenden Spanferkel bildete sich eine Menschenschlange. Jeder wollte noch ein Stück Braten ergattern, ehe das Unwetter losbrach und die Party zu Ende war.
    Bosch hielt nach Frau Aschenbach Ausschau, um sich zu verabschieden, konnte sie aber nirgends entdecken. Hinter ihm knirschte der Kies.
    »Hans, mon cher , ich hätte jede Wette gemacht, dass ich Sie hier nicht mehr finde.« Henri stand neben ihm. Sein heller Leinenanzug war zerdrückt. »Wollen wir noch etwas trinken, oder …?«
    Ein Windstoß fuhr durch die Weiden vom Wasser herauf, wirbelte raschelnd durch die Zweige und riss Henri die Worte von den Lippen.
    Bosch schüttelte den Kopf. »Ich will nach Hause. Wie geht’s denn unserem Gastgeber?«
    »Ruht sanft in Morpheus’ Armen.« Henri lachte. »Soll heißen, er liegt mit einem Riesenrausch im Bett. In seiner Haut möchte ich morgen nicht stecken.«
    Erste Regentropfen klatschten auf den Rasen.

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