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Totenkult

Totenkult

Titel: Totenkult Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Eberl
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tot oder lebendig – dar, mit der man Kontakt aufnehmen will. Man kann ihnen Wünsche auftragen oder sie um ihren Segen bitten.« Er griff mit beiden Händen nach den Hühnerstücken und bettete sie zwischen das brutzelnde Gemüse. »Oder verfluchen, natürlich. Sie haben doch sicher einen Korkenzieher?«
    Bosch zog die Schublade des Küchentischs auf und reichte Henri das Gewünschte. Der entkorkte den Rotwein und goss einen kräftigen Schuss in den Topf. Es zischte und rauchte.
    »Möglicherweise ist die Puppe ja gar nicht für Sie.« Henri nahm zwei Wassergläser aus dem Schrank und schenkte vom Rest des Rotweins ein. Ein Glas stellte er vor Bosch. »Wer weiß, wie lange sie schon da draußen liegt? Ein Tier könnte sie hergeschleppt haben.« Er trank von seinem Wein und beobachtete Bosch dabei über den Rand des Glases. »Vielleicht Ihr Hund.«
    Bosch nahm einen kräftigen Schluck Wein und fühlte sich gleich besser. Natürlich, der Hund hatte das grausige Ding irgendwo aufgelesen und für Spielzeug gehalten. Aber wem galt der Zauber dann? Noch dazu in St.   Gilgen, Tausende Kilometer von Haiti oder New Orleans entfernt? Henri schüttete ein wenig Wasser in den Topf, tat Zwiebelstücke und ganze Knoblauchzehen hinein und legte den Deckel auf. Dann drehte er die Flamme des Gasherdes zurück und wandte sich um. »So, nun heißt es nur noch warten.« Voller Vorfreude rieb er sich die Hände. »Wie wär’s jetzt mit einer Führung durch Ihr Atelier?«
    »Ja, natürlich …« Bosch war überrascht. Henri hatte sein Leben zwischen Kunstschätzen verbracht, sein Interesse war daher schmeichelhaft. »Sehr gern.«
    Die Sonne stand inzwischen so hoch, dass ihre Strahlen die Staffelei nicht mehr erreichten und das »Narrenschiff« in ein düsteres Licht getaucht war. Wolken ballten sich am Himmel, das Segel schlug im Wind, aber die Zecher hatten keinen Blick für die Gefahr. Ohne direktes Licht besaß das Bild eine unheilvolle Stimmung. Das war Bosch bis jetzt noch gar nicht aufgefallen.
    Henri zog eine Lesebrille aus der Brusttasche seines Oxford-Hemdes, setzte sie auf die Nasenspitze und beugte sich zu dem Bild vor. »Phantastisch«, sagte er.
    »Ach …« Boschs Gesicht wurde vor Freude heiß. »Es ist ja noch gar nicht fertig.«
    Henri richtete sich auf. »Doch, mon cher , Sie sind ein echter Künstler.« Er nahm die Brille ab und kratzte sich am Ohr. »Was soll es denn kosten?«
    »Das Narrenschiff?« Bosch zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht, da müsste ich erst mit meinem Galeristen sprechen. John vertritt mich exklusiv, leider kann ich –«
    »Wo ist Ihre Galerie? In Salzburg?«
    Die Kaffeebohnenaugen der Puppe starrten Bosch an. Er zog den Mallappen über ihren Körper. »In London.«
    John, sein Galerist, hatte am Institut für Kunstgeschichte nach Material über Hans Makart gesucht. Dabei waren ihm zwei von Boschs Bildern aufgefallen, die im Sekretariat hingen. Er hatte Bosch einen Agenturvertrag angeboten und die Bilder gleich mitgenommen. In ein oder zwei Jahren, so hoffte Bosch, würde er keine Vorlesungen über Kunstgeschichte mehr halten müssen, sondern von seinen Bildern leben können.
    »Was würden Sie zu einer Sommerausstellung im Schloss sagen? Im nächsten Jahr, wenn alles fertig ist.« Über Henris Clownsgesicht huschte ein Lächeln. »Ihre Bilder scheinen mir gut zu der Umgebung zu passen.«
    »Das … das wäre großartig. Ich … was ist das?« Bosch schnupperte. Irgendwie roch es stark nach Knoblauch.
    »Der Coq au Vin!« Henri drehte sich um und hinkte in Richtung Küche. Über die Schulter rief er: »Decken Sie den Tisch.«
    Henri servierte das Essen auf dem Steg. Bosch hatte zwei Klappstühle aufgebaut und den kleinen Terrassentisch mit den angeschlagenen Tellern aus der Küche gedeckt. Die Kasserolle stand zwischen ihnen. Der Knoblauchduft des geschmorten Huhnes musste über den ganzen Wolfgangsee bis nach Strobl zu riechen sein. Dazu aßen sie Baguette und tranken den Rotwein weiter aus Wassergläsern. Unter dem Steg gluckerte das Wasser, links und rechts bogen sich die Schilfhalme und raschelten leise, als tuschelten sie miteinander. Am Fuße des Falkensteins zerfloss die Silhouette des Schlosses auf den Wellen. Bosch hatte sich lange nicht mehr so wohl gefühlt.
    »Das Huhn ist gut.« Henri brach ein Stück Weißbrot auseinander, tunkte eine Hälfte in die Soße und schob sie zwischen seine dicken Lippen. »Madame Geiersberger hat mir wieder ewig in den Ohren gelegen. Das

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