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Totenkult

Totenkult

Titel: Totenkult Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Eberl
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Telefon in die Tasche und schaute zum Himmel empor. Die Hutkrempe verdeckte sein Gesicht. Der Mann schien direkt zu ihr heraufzusehen. Marie trat einen Schritt vom Fenster zurück.
    »Frau Aschenbach?«
    Marie drehte sich um. Jessica stand im Türrahmen.
    »Ja?«
    »Da war gerade ein Mann am Telefon.«
    »Ja …?«
    »Der Anruf war eigentlich für Sie.« Jessica fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen. »Aber, also …«
    »Wer war’s denn?«
    »Ich weiß nicht.« Jessicas Stimme klang verstört. »Der Typ hat einfach aufgelegt.« Sie zwinkerte nervös. »Aber ich soll Ihnen was ausrichten.«
    War dieses Mädchen noch bei Trost? »Ja, was denn?«
    »Es ist noch nicht vorbei.« Sie holte tief Luft.
    »Was ist nicht vorbei?«
    »Das soll ich Ihnen ausrichten. ›Es ist noch nicht vorbei.‹ Sonst hat der Typ nichts gesagt.« Sie zögerte einen Augenblick. »Die Stimme kam mir irgendwie bekannt vor, aber sie klang so wütend, dass ich sie einfach nicht zuordnen kann.«
    Maries Mund wurde trocken. Schnell schob sie die Hände in die Taschen ihres Hosenanzuges. Jessica sollte nicht sehen, dass sie zitterten. »Seltsam.«
    »Wissen Sie, was ich mich frage?« Jessicas wie Rabenflügel gezeichnete Brauen zogen sich zusammen. »Woher weiß dieser Typ überhaupt, dass Sie heute hier sind?«
    Marie trat wieder ans Fenster und schaute nach unten. Der Mann mit dem weißen Hut war weg. Litt sie unter Verfolgungswahn? Aber jemand hatte die roten Ledersitze ihres Autos aufgeschlitzt. Marie holte tief Luft, setzte ein Lächeln auf und drehte sich um.
    »Da hat sich jemand einen Scherz erlaubt«, meinte sie.
    Jessica sah sie zweifelnd an. »Klang aber nicht so.«
    »Ganz bestimmt.« Marie ging zum Schreibtisch hinüber. Ihre hohen Absätze hämmerten über das spiegelblanke Parkett. Höchste Zeit, dass sie die Kontrolle über ihr Leben zurückbekam. »Jessica, ich muss mit Ihnen reden.«
    Jessicas schlanke Figur straffte sich. »Ja?«
    »Ich habe einen Entschluss gefasst, der auch im Sinne meines Mannes wäre.« Marie legte die Hände vor sich auf die Schreibtischplatte. Wo ihr Ehering gesessen hatte, war nur noch ein schmaler weißer Streifen auf der Haut zu sehen. Bald würde ihn die Sommerbräune unsichtbar werden lassen. »Ich werde die Geschäfte weiterführen.«
    Jessica legte den Kopf zur Seite. »Okay?«
    Marie machte einen tiefen Atemzug. »Abgesehen von der ›Arlberg Lodge‹ – was ist denn dieses neue Projekt, von dem Sie vorhin gesprochen haben?«
    »Das ist was ganz Tolles, kann ich Ihnen sagen. Ich hol Ihnen gleich die Pläne.« Wie ein Kind, das ein neues Spielzeug zeigen will, sauste Jessica los.
    Marie ließ sich in den Ledersessel sinken und betrachtete die Zeichnungen der »Arlberg Mountain Lodge« an der Wand. Wenn Roland die Entscheidung getroffen hatte, das insolvente Luxushotel zu kaufen, dann hatte er sicher seine Gründe dafür gehabt. Als Ehemann hatte der Gute nicht getaugt, aber seine Fähigkeiten im Geschäftsleben konnte ihm niemand absprechen. Dann war das Vermögen, das sie geerbt hatte, eben eine florierende Immobilienkanzlei.
    »Tra-ra, hier ist unser neuestes Projekt.« Jessica kam mit einer Rolle Baupläne zurück. »Das sind schon mal die Entwürfe vom Architekten. Die Bankunterlagen und das Gutachten vom Wirtschaftsprüfer – Dr.   Albrecht, Sie wissen schon – richte ich Ihnen her.« Sie rollte die Pläne auseinander, legte sie auf den Schreibtisch und drehte sie um, sodass Marie die Zeichnungen gut erkennen konnte.
    »Das ist ja … prachtvoll.« Marie traute ihren Augen kaum. Ein stilvolles Grandhotel, eine Terrasse am Hang, umgeben von weitläufigen Rasenflächen, und ein endlos langer Pool, der direkt zwischen die umliegenden Berggipfel zu zielen schien. Am Rand der Zeichnung klebten Fotos von der grandiosen Aussicht. Daneben hatte Roland eine Telefonnummer gekritzelt. »Wahnsinn.« Marie schaute auf. »Und das ist alles schon unter Dach und Fach?«
    »Die Bank hat Ja gesagt.« Jessica strahlte. »Und das ist schließlich die Hauptsache, nicht wahr?«
    »Ich denke schon.« Marie spürte ein warmes Gefühl der Erleichterung. »Dann haben wir ja richtig Glück.«
    »Das können Sie laut sagen.« Jessica lachte. »Weil, wenn nicht …«
    »… dann?«
    Jessica verschränkte die Arme vor der Brust. »Der Chef hat die ganze letzte Zeit daran gearbeitet und sich voll darauf konzentriert. Weil, wenn das Geschäft platzt, sind wir so pleite wie die ›Arlberg Lodge‹«, sagte sie

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