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Totenkult

Totenkult

Titel: Totenkult Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Eberl
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wachsenden Stapel zu legen.
    »Wärmer?« Henri blickte von seiner Arbeit hoch.
    Bosch nickte.
    »Cesario ist für mich in Salzburg. Wenn er zurück ist, soll er Sie nach Hause fahren.« Ein Lächeln spielte um Henris Mund. »Ich hatte den Eindruck, der Silver Ghost hat Ihnen gefallen.«
    »Cesario fährt den Rolls-Royce?« Auch wenn sich Bosch auf die Fahrt im Oldtimer freute, so wunderte er sich, dass Henri seinem Faktotum den kostbaren Wagen überließ.
    »Ich kenne Cesario von meiner letzten Südamerikareise. Der Junge hat Arbeit gesucht, und da habe ich ihn eben als Fahrer eingestellt.« Henri griff nach einem Foto und deutete damit zum Fenster, als läge dahinter der Amazonas und nicht der Wolfgangsee. »Er hat mich gefragt, ob ich ihn mit nach Europa nehme. Inzwischen ist er mir unersetzlich.« Er ließ seinen Blick über die Bilderstapel vor sich wandern. »Keine Sorge, mon cher , Cesario fährt Sie so sicher über die Alpen wie über die Anden.«
    »Das beruhigt mich natürlich.« Bosch nahm einen Schluck Tee. »Sind das Fotos für die Ausstellung?«
    »Auch.« Henri deponierte das Bild in seiner Hand auf dem höchsten Stapel. »Eigentlich arbeite ich an einem Bildband über Grand-pères Jahre in Südamerika.« Er stieß einen tiefen Seufzer aus. »Wir leben in einem Zeitalter der Zerstörung. Der Regenwald wird abgeholzt, und seine Ureinwohner verschwinden spurlos für immer. Das hier sind unschätzbare Zeugnisse der Existenz und Geschichte indigener Völker, von denen wir nicht einmal mehr die Namen kennen.« Er bückte sich nach dem nächsten Bild, drehte es um und las die Handschrift auf der Rückseite. »Hier – ein Kopfjäger der Aguaruna in Peru. Eine ganz seltene Aufnahme von 1913.« Henri betrachtete das Porträt, dann huschte ein Lächeln über sein Gesicht, als hätte er auf der über hundert Jahre alten Aufnahme einen Bekannten wiederentdeckt. »Ach, Grand-père – ich wünschte, du hättest dir die Mühe gemacht, deine Schätze zu ordnen.« Er warf dem Porträt seines Vorfahren über dem Kamin einen vorwurfsvollen Blick zu und legte das Foto dann zur Seite.
    Aus den Räumen unter der Bibliothek war Baulärm zu hören. Ein Presslufthammer ratterte, und trotz der dicken Schlossmauern hatte Bosch das Gefühl, der Boden vibriere unter den schweren Orientteppichen.
    »Haben Sie übrigens heute schon in die Zeitung geschaut?« Henri stieß die zerstreuten Seiten auf dem Boden mit der Spitze seines auf Hochglanz polierten Stiefels. »In den Wirtschaftsteil?«
    »Ich, äh, hatte leider noch keine Zeit.« Bosch las immer nur das Feuilleton. Von Wirtschaft verstand er nichts, aber das mochte er Henri gegenüber nicht zugeben.
    »Ist ein Interview mit Ihrer Nachbarin drinnen.« Henri nahm seine Lesebrille ab und lehnte sich zurück. »Sollten Sie unbedingt lesen. Die scheint eine richtige Geschäftsfrau geworden zu sein. Wer hätte das gedacht?«
    Bosch zuckte mit den Schultern. »Davon weiß ich nichts.« Er sah die Aschenbach nur hin und wieder, wenn sie in Kostüm und hohen Schuhen, eine Aktentasche aus Krokodilleder in der Hand, in den schwarzen Porsche ihres Mannes stieg. »Ich habe sie in der letzten Zeit nicht gesprochen.«
    Von draußen waren schwere Schritte zu hören, die näher kamen. Männerstimmen diskutierten lautstark. Gleich darauf wurde angeklopft und eine Antwort gar nicht abgewartet. Die Tür ging auf, und zwei von Kopf bis Fuß mit Staub bedeckte Bauarbeiter in ehemals blauer Montur, gelbe Helme auf dem Kopf, standen im Türrahmen. Wie zwei Höhlenforscher, die gerade aus dem Berginneren ans Tageslicht aufgetaucht waren, zwinkerten sie im Feuerschein der Bibliothek.
    »Herr Mortin?« Der Ältere der beiden zog seine Arbeitshandschuhe aus und schlug sie aneinander. Sofort rieselten Staub und Kalk auf das glänzende Parkett.
    Henri schenkte diesem Vandalenakt keine Beachtung. »Ja, was gibt’s?«
    »Vielleicht könnten S’ rasch einmal schauen?« Der Mann deutete mit einem Handschuh über seine Schulter zurück. »Ich mein, wir hätten da was gefunden, was Sie interessieren könnt.«
    »Oha.« Henri stemmte sich aus seinem Sofa. »Ich hoffe sehr, dass es sich dabei um eine Kiste mit Gold handelt.«
    »Was?« Der Bauarbeiter schaute ihn an. »Wir haben nur den Wanddurchbruch gemacht, da, wo der Herr Architekt gesagt hat, dass dahinter –«
    »Alles klar, mein guter Mann.« Henri hinkte zur Tür. »Was haben Sie denn gefunden?«
    »Na, diesen Altarraum oder was immer das ist.«
    Henri

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