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Totenkult

Totenkult

Titel: Totenkult Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Eberl
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die sie füttert? Nein, das glaube ich eigentlich nicht.«
    »Ach, nicht?« Bosch war inzwischen ganz auf Widerspruch gepolt. »Ich denke, Aschenbach wollte sich scheiden lassen?«
    Henri runzelte die Stirn. »Ja, das stimmt allerdings.« Er starrte ins Feuer. Die Ärmel der Tweedjacke spannten über seinen Armmuskeln. Dann stieß er sich vom Sofa ab und stellte sich vorsichtig auf sein steifes Bein. »Hm.« Er begann, durch die Bibliothek zu hinken. Immer an den Regalen entlang. Dabei ließ er seinen Zeigefinger über die Bücher gleiten und entlockte ihren Rücken eine hohl klingende Melodie. Tock-tock-tock. »Allerdings kenne ich Ihre Nachbarin natürlich nicht gut.« Tock-tock-tock. »Haben Sie sie nicht mal mitgebracht?« Er blieb stehen und schaute zu Bosch hinüber. »Ja, genau, sie hat sich Bücher ausgesucht.«
    Bosch fielen die wertvollen Bände ein, die Henri der Aschenbach zu ihrem Porsche getragen hatte, der zerstochene Autositz und die blinkende Alarmanlage in Aschenbachs Haus.
    Henri tappte mit den Fingern auf den Regalboden. Ein Klopfen an der Tür unterbrach sein Getrommel. »Ja?« Er drehte sich um. »Herein.«
    Die Tür ging auf, und Cesario trat ein. »¿Jefe?«
    Der junge Mann machte ein paar Schritte ins Zimmer und verschränkte die Hände hinter dem Rücken. Mit erhobenem Kopf schien er einen neuen Auftrag zu erwarten. Er trug Jeans und eine rote Outdoorjacke und wirkte eher wie ein Student, der ein Auslandssemester absolviert, als wie der Laufbursche von Henri. Bosch wäre er in seinem Hörsaal nicht aufgefallen.
    »Ah, ja, Cesario, sehr gut.« Henri wandte sich wieder an Bosch. »Wir setzen diese spannende Unterhaltung ein andermal fort, mon cher . Wenn es Ihnen recht ist, fährt Cesario Sie jetzt nach Hause.«
    Cesario richtete seine schwarzen Augen auf Bosch, als hätte er Henris Worte verstanden. Er war kaum älter als zwanzig. Das Kaminfeuer warf zuckende Lichter auf seine hohen Wangenknochen und verzerrte sein Gesicht zur Grimasse. Der Name eines römischen Imperators wollte so gar nicht zu dem Jungen passen.
    »Das wäre nett.« Bosch stand auf.
    »Ausgezeichnet.« Henri rieb sich die Hände und wandte sich an seinen Fahrer. »Cesario, lleva a este señor – el doctor Hans Bosch – a su casa.«
    Cesario nickte. »De acuerdo, jefe.« Er ging zur Tür und hielt sie für Bosch auf. »Don Hans?«
    Don Hans beeilte sich, der Einladung seines Chauffeurs Folge zu leisten und zu dem wartenden Rolls-Royce zu kommen. Aber kaum hatten er und Cesario die Tür erreicht, hörte er hinter sich einen gepressten Laut. Bosch drehte sich um. Henri stand noch immer an derselben Stelle vor dem Bücherregal. Aber jetzt starrte er auf eine Lücke zwischen den Bänden. Sein Rücken hob und senkte sich, als fiele ihm das Atmen schwer.
    »Henri?« Bosch schaute zu Cesario, doch der erwiderte nur gelassen seinen Blick. Offensichtlich war er nicht gewillt, seinem Dienstgeber zu Hilfe zu kommen. Bosch lief zu Henri hinüber. »Kann ich Ihnen helfen?«
    »Es fehlt ein Buch …« Hektisch schob Henri die anderen Bücher herum, als vermutete er den vermissten Band irgendwo dahinter. »Das ist unmöglich.«
    Er zog einen dicken Band aus dem Regal. Das Titelbild zeigte alte englische Rosen, dunkelrote, gelbe und rosafarbene. Es war der Nachdruck eines handkolorierten Stiches aus dem 19.   Jahrhundert. Fast meinte man, den schweren Duft der Blumen riechen zu können. »Old Roses«, stand darauf. Und: »The Royal Horticultural Society«. Boschs Blick glitt über den Rücken des nächsten Bandes im Regal: »Die weißen Gärten von Sissinghurst«.
    »War das Buch denn wertvoll?«, fragte er, ohne nachzudenken. Natürlich war es das. In dieser Umgebung.
    Henris Lachen klang wie das Meckern eines Ziegenbocks. »Kommt drauf an, wer es in die Finger kriegt …« Er stellte den Bildband an seinen Platz zurück. Dann schob er die Hände in die Hosentaschen. »›Ich weiß mir Bessres nichts auf dieser Welt …‹« Er wandte sich abrupt zu Bosch um. »Wie lange bleiben Sie noch in Ihrem Seehaus?«
    »Was?«
    »Ziehen Sie aus.«
    »Aber …«
    »Sofort.«
    »Ich kann doch nicht einfach –«
    »In Ihrem eigenen Interesse.« Henris Froschaugen schienen noch weiter hervorzuquellen als sonst. »Vertrauen Sie mir, mon ami .«

ZEHN
    Die dicke Hummel summte vor dem Küchenfenster. Immer wieder stieß sie mit ihrem pelzigen Körper gegen das Glas.
    »Nimm halt den offenen Fensterflügel daneben, Blödmann.« Marie schüttelte

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