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Totenkult

Totenkult

Titel: Totenkult Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Eberl
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Mist.«
    »Also nein, mon cher .« Wieder schüttelte Henri den Kopf. »Das hieße ja, Madame Geiersberger hätte diesen Aschenbach vergiftet. Obwohl …« Er lehnte sich vor und ließ den Blick über die Fotostapel wandern. Dann griff er nach dem Bild mit dem toten Tapir und betrachtete es eingehend. »Haben Sie sich mal den Garten der Aschenbachs näher angesehen?«
    »Wieso?«
    Henri kniff den Mund zusammen.
    »Was ist mit dem Garten?«
    Henri sah Bosch nicht an.
    »Er ist vielleicht ein wenig – bunt.«
    Endlich sagte Henri: »Er besteht aus Giftpflanzen. Haben Sie das nicht bemerkt?«
    Bosch hatte sich noch nie mit Pflanzen beschäftigt. Er verschenkte immer nur fertig gebundene Blumensträuße. Und die suchte er unter rein farblichen Gesichtspunkten aus.
    »Es ist mir am Abend der Party aufgefallen«, fuhr Henri fort. »Vor der Terrasse wachsen Rosen inmitten von kleinen blauen Beeren. Wissen Sie, welche ich meine?«
    Bosch nickte. Aschenbach war total betrunken in das Beet gestürzt. Jeder hatte hingestarrt. »Heidelbeeren.«
    Henri lächelte nachsichtig. »Dafür sind sie zu groß. Aber sehr ähnlich, mon cher , sehr ähnlich. Auch diese Beeren sind lackschwarz und – wie es heißt – süß und saftig. Leider ist das nur eine Vermutung, denn wir können niemanden mehr fragen, der genügend von ihnen gegessen hat.« Ein Lächeln zuckte über sein Gesicht. »Atropa belladonna, auch Tollkirsche, Teufelskirsche oder – ein wenig verharmlosend – Schlafkirsche genannt.« Er fixierte Bosch durch seine dicke Brille. »Der Tod tritt durch Atemlähmung ein.«
    Bosch sah den betrunkenen Aschenbach wieder vor sich. Den Mann mit dem kurz geschorenen grauen Haar. Das Handgemenge. Hatte der Randalierer die Gelegenheit genutzt und eine Giftbeere in Aschenbachs Glas geworfen? »Woher wissen Sie das?«
    »Atropin wird in der Augenheilkunde verwendet.« Henri zeigte auf seine Glupschaugen. »Ich bin in ständiger Behandlung. Außerdem wirkt die Tollkirsche krampflösend und ist ein gutes Gegenmittel bei Vergiftungen mit Pflanzenschutzmitteln. Leider werden die in der Dritten Welt auf unverantwortliche Weise eingesetzt. So was weiß man als Expeditionsleiter.« Er seufzte. »Aber wie Paracelsus sagt: Die Dosis macht das Gift.«
    »Aber Aschenbach ist nicht an einer Atemlähmung gestorben.« Sein Mund war jedoch weit aufgerissen gewesen. Als hätte er verzweifelt nach Luft gerungen.
    »Deswegen kommt die Tollkirsche auch nicht in Frage.«
    »Na bitte.« Bosch war auf einen Schlag erleichtert.
    Henri musterte ihn. »Aber was ist mit dem Fingerhut?«
    Bosch zuckte mit den Schultern.
    »Blaue und rosa Glockenblüten mit pelzigem Stiel.«
    Bosch konnte sich an irgendwelche Glockenblumen erinnern. Vielleicht war das der Fingerhut gewesen.
    »Vor der Terrasse der Aschenbachs gibt es ein ganzes Beet davon.« Henri legte das Jagdfoto auf den Stapel zurück.
    »Na und?«
    »Wissen Sie, wie Fingerhut auf Latein heißt?«
    »Natürlich nicht.«
    »Digitalis.«
    Boschs Mund wurde trocken. Das wusste sogar er. Digitalis war ein starkes Herzmittel. »Digi…?«
    »…talis.« Henri hob die Hände. »›Der Herrschaft Zauber aber ist das Geld‹«, rezitierte er. »›Ich weiß mir Bessres nichts auf dieser Welt, als Gift und Geld …‹« Er runzelte die Stirn. »Adelbert von Chamisso. Das ist, meine ich, aus der ›Giftmischerin‹.«
    »Giftmischerin?« Bosch schaute auf die Bilderstapel auf dem Tisch. Das Foto mit dem Tapir war zu Boschs Seite herabgerutscht. Er konnte das tote Tier und die Pfeile wieder deutlich erkennen. »Etwa Frau Aschenbach?«
    »Das haben jetzt Sie gesagt.« Henri lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. »Aber vielleicht sollten wir uns einmal mit ihr beschäftigen.«
    »Wie – beschäftigen?«
    »Na ja, reden.« Henri nickte. »Sie sind doch Ihr Nachbar. Fragen Sie sie doch mal …«
    »Liebe gnädige Frau, haben Sie zufällig Ihren Mann ermordet?« Ärger ergriff Bosch. Es war Zeit, diese wahnwitzige Unterhaltung zu beenden. »Erzählen Sie mir lieber von diesem Mauerdurchbruch. Ich hoffe, es war keine alte Bausubstanz. Vielleicht sollte ich einen Vergleich mit den alten Plänen anstellen.«
    Aber wenn Bosch gehofft hatte, Henri mit der subtilen Drohung, ihm bei seinem Umbau Schwierigkeiten zu machen, vom Thema abzulenken, so hatte er sich getäuscht. Henri ignorierte seinen Einwurf.
    »Ich glaube es ja auch nicht«, sagte er leise. »Warum sollte Frau Aschenbach die Hand abschlagen,

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