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Totenkult

Totenkult

Titel: Totenkult Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Eberl
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ganzen teuren Klamotten und dem Sportwagen und immer ins Restaurant? Und übers Wochenende nach Venedig?«
    Nach Venedig. Der Scheißkerl. Und ihr hatte er immer etwas von Präsentationen in Italien erzählt. Marie hob das Kinn. »Und das haben Sie Ihrer Enkelin erlaubt, Frau Geiersberger?«
    »Regen Sie sich nicht auf. Ihr Mann war’s nicht wert.«
    Die Hummel kam jetzt hinter dem Windlicht hervorgekrabbelt. Ihre Fühler tasteten sich voran, während sie die Tischplatte nach Fressbarem absuchte. Ihr kugeliger Leib wippte auf und ab.
    »Ich hab immer dagegengeredet. Aber was erzählen Sie denn einem Teenager? Glauben Sie mir, so einen wie Ihren Mann wollte ich nicht für meine Vicky.«
    Marie fühlte den Blick der alten Geiersberger auf sich ruhen. Aber auf einmal hatte er nichts Bedrohliches mehr. Im Gegenteil, die Alte schien eher eine Art mütterliche Strenge auszustrahlen. Trotz des Kittels, der über ihrem plumpen Körper spannte, und der alten Strickweste wirkte sie wie ein archaisches Sinnbild der Weiblichkeit, voller Verständnis für die Nöte ihrer Töchter. Stark und verzeihend.
    »Roland war ein Arsch.« Das hatte Marie noch nie ausgesprochen. Aber es fühlte sich gut an.
    Ein freudloses, schnaufendes Auflachen war die Antwort. »Ja, das war er.« Die Geiersberger hob ihre kräftige Hand und zielte. Dann ließ sie sie auf die Hummel niederkrachen. »So wie der Alfons von der Rosi.« Sie zog die Hand zurück, hielt sie über die Terrasse und streifte das zerquetschte Insekt mit der anderen Hand ab. »Oft lösen sich die Probleme eben von ganz allein.« Mit der Spitze ihrer Gesundheitssandale schabte sie die Reste der Hummel von den Steinplatten. »Die Biester leben in den Blüten vom Fingerhut. Wenn Sie meinen Rat hören wollen, schneiden Sie das Zeug so bald wie möglich um. Dann sind Sie alle Quälgeister für immer los.«
    Marie hoffte, dass hier von Hummeln die Rede war.
    Die Mundwinkel der Geiersberger zuckten. Sie ließ ihren Blick über die Beete wandern. »Ein englischer Garten wird hier sehr schön aussehen. So, und jetzt muss ich den Laden aufsperren. Ich mach das Tor zu.«
    Marie schaute ihr nach, wie sie schwerfällig, aber aufrecht über die Terrasse tappte und um die Hausecke verschwand. Der Abgang einer Königin. Kurz darauf fiel das eiserne Gartentor ins Schloss. Marie hatte das deutliche Gefühl, als hätte die Alte ihr eine Botschaft übermitteln wollen. Fragte sich nur, welche.
    Sie beugte sich wieder über den Zeitungsausschnitt. Der Mann mit dem geschorenen Haar hieß Dr.   Hans-Peter Berger, war Manager und arbeitete den Großteil des Jahres in Dubai. Achthunderttausend Euro hatte er über den Fonds in die »Arlberg Mountain Lodge« investiert. Jetzt fürchtete er nicht nur um sein Kapital, sondern um das aller Anleger.
    Wir gehen davon aus, so wurde Berger als Sprecher zitiert, dass das Arlberg-Lodge-Investment von Anfang an zum alleinigen Vorteil von Roland Aschenbach konstruiert war. Denkbar wäre, dass Aschenbach das Hotel ein zweites Mal übernimmt, billig aus der Insolvenzmasse herauskauft und mit staatlichen Fördermitteln weiterbetreibt. Oder mit Gewinn weiterveräußert. Das werden die Geschädigten auf keinen Fall hinnehmen. Wir werden Aschenbach persönlich – und zwar mit allen Mitteln – zur Verantwortung ziehen.
    Das Interview war über ein halbes Jahr alt. Inzwischen war das Hotel in Konkurs gegangen und das Kapital der Anleger verloren. Kein Wunder, dass der Mann hier in St.   Gilgen aufgetaucht war und Roland die Hölle heißgemacht hatte. Mit allen Mitteln. Zweifellos gab es noch jede Menge andere wütende Anleger. Auf einmal wusste Marie, warum Roland auf der ganzen Sicherheitstechnik im Haus bestanden hatte. Aber jetzt war Roland tot, und das Hotel und die ganzen umliegenden Gründe gehörten der »Arlberg Summit GmbH«. Die vorgeschobenen Strohmänner, ein Steuerberater und eine Sekretärin, mochten rechtlich in Ordnung sein. Aber sie täuschten niemanden. Ziel der Anleger war ab jetzt Rolands Geschäftsnachfolgerin. Seine Witwe.
    Marie fiel der zerstochene Autositz wieder ein. Vielleicht war das eine Drohung für Roland gewesen, von Berger. Vielleicht wollte der Mann so das verlorene Geld auf dem kurzen Weg zurückbekommen. Nein, das konnte sie sich nicht vorstellen. Das war eine theatralische, aber auch kindische Aktion gewesen, die nicht zu dem seriösen Geschäftsmann auf dem Foto passte. Und der Telefonanruf im Büro? Der schon eher. Ein Mann hatte vom

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