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Totenkult

Totenkult

Titel: Totenkult Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Eberl
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Gilgen waren die Touristenströme bereits merklich dünner geworden. Das schlechte Wetter würde auch die letzten Gäste abreisen lassen. Auf der Terrasse der Konditorei Dallmann war nur ein einziger Tisch besetzt. Ein älteres Ehepaar in grünen Wachsjacken saß vor Kaffee und Mozarttorte und fütterte die Tauben, die hoffnungsvoll vor dem Geländer patrouillierten. Bosch ließ den Hund vor der Konditorei warten und kaufte zwei Kipferl. Und eine Brioche für seinen Hund.
    »Es herbstelt«, stellte die nette Verkäuferin fest. »Wie lange bleiben S’ denn noch bei uns, Herr Doktor?«
    »Mal sehen«, sagte Bosch.
    Wenn er das wüsste. Die Arbeiten im Schloss waren so gut wie abgeschlossen, und seine Vermieter hätten sicher nichts gegen einen längeren Aufenthalt einzuwenden. Am liebsten wäre Bosch für immer geblieben. Im Grunde hing seine Entscheidung von zwei Dingen ab. Konnte er das Häuschen über den langen Winter im Salzkammergut, wenn die Temperaturen auf unter minus zwanzig Grad sanken, ausreichend heizen? Und gönnte man ihm endlich seine Ruhe?
    Die Tüte mit dem Gebäck in der Hand, schlenderte Bosch über den Mozartplatz. Der Wind hatte aufgefrischt, und die roten Gondeln, die an ihren Seilen das Zwölferhorn hinaufkrochen, schwangen hin und her. Nicht mehr lange, dann würden Skifahrer und Tourengeher die Sommertouristen als Fahrgäste ablösen. Bosch knöpfte seine Jacke zu und schlug den Kragen hoch. Er bog auf die Uferpromenade ab. Fröhlich trottete der Hund neben ihm her. Immer wieder steckte er seine Nase zwischen die goldenen Blätter am Wegrand. Manchmal raschelte es, und im nächsten Moment huschte ein grauer Schatten über die Straße.
    »Du kriegst genug zum Futtern, verdammt, lass das endlich«, brummte Bosch. Die Mäusejagd war eine schlechte Angewohnheit aus den Streunertagen des Hundes.
    Motorenlärm dröhnte über das Wasser. Bosch blieb stehen, um dem Wasserflugzeug entgegenzusehen, das in Schräglage von St.   Wolfgang heraufkam. Zwei Propeller drehten sich über der schwerfälligen Kabine, die unter dem durchgehenden Flügel hing. Das Flugzeug sauste so knapp über die Promenade, dass Bosch unwillkürlich den Kopf einzog, dann umrundete es den Kirchturm und verschwand in Richtung Salzburg.
    Ein paar erschrockene Enten fielen schnatternd auf dem See ein. Schaumkronen tanzten auf den grauen Wellen. An der Schiffstation vertraten sich ein paar Touristen in gelben Öljacken und Strickmützen die Beine, als warteten sie auf einen Walfänger und nicht auf den alten Ausflugsdampfer »Franz Josef«.
    Bosch schnappte sich ein Hundeohr und zupfte daran. »So, jetzt gehen wir erst mal nach Hause, und dann sehen wir weiter.« Die frische Luft hatte ihm gutgetan. Irgendwo auf dem Weg waren die schwarzen Schatten verloren gegangen. »Jause?«
    Der Hund wedelte mit dem Schwanz.
    »Also, dann los.«
    Vor seinem Holzhaus angekommen, drückte Bosch das Gartentürchen auf und warf dabei wieder einen Blick zum Bauernhaus hinüber. Der schwarze Porsche stand noch an derselben Stelle, und der Fensterladen schwang immer noch hin und her. Das Klappern hätte auch ein ruhigerens Gemüt als das seiner Nachbarin den letzten Nerv gekostet. Es war wirklich ungewöhnlich, dass sie sich nicht längst darum kümmerte.
    »Verstehst du das?« Boschs Uhr zeigte schon nach vier. Um diese Zeit war Frau Aschenbach immer in ihrem Büro in Salzburg. Ein ungutes Gefühl regte sich in ihm. Unerbittlich krochen die schwarzen Schatten wieder heran.
    Statt einer Antwort bohrte der Hund nur seine Nase in die Tüte mit dem Gebäck und schniefte laut. Offensichtlich hatte er seinen Leckerbissen erschnüffelt.
    »Henri hat recht, du bist ein elender Opportunist.« Bosch schloss die Haustür auf und ging in die Küche. »Hier.« Er zog die Brioche aus der Tüte und warf sie in die Luft. Mit einem Satz schnappte der Hund das Brot, schlug seine langen Zähne hinein und verschwand damit auf der Veranda. »Aber krümle nicht wieder alles voll«, rief Bosch ihm hinterher. Als ob das die größte seiner Sorgen war.
    Bosch schaltete die Kaffeemaschine ein und legte die beiden Kipferl auf einen Teller. Dann nahm er ein Glas Marillenmarmelade aus dem Kühlschrank und stellte es dazu. Warum war die Aschenbach heute nicht in Salzburg? Vielleicht war sie krank und brauchte Hilfe. Nach allem, was passiert war, sollte er sich womöglich um seine Nachbarin kümmern. Bosch kramte nach einem Messer in dem Chaos der Besteckschublade. Dabei hätte er

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