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Totenkuss: Thriller

Totenkuss: Thriller

Titel: Totenkuss: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uta-Maria Heim
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und wesentlich besser
beieinander. Also mach kein Theater.« Mit tattrigen Schritten ging Karle zu
einer Sitzgruppe aus verschlissenen Gartenmöbeln, die inmitten von
Schlüsselblumen, Löwenzahn und Wiesenschaumkraut am Hang stand und ein
schlechtes Feng-Shui hatte. Marthel hatte ihm seinen Kaffee hingestellt, in
einer giftgrünen Thermoskanne, dazu frische Kuhmilch, einen handgetöpferten
Eierbecher mit Gänseblümchen, außerdem eine Karaffe Pfefferminztee und zwei
Tassen. Pfefferminztee also. Ihr Leib- und Magengesöff. Die schleckige Rosa
hatte vorher angeläutet. Marthel hatte sie erwartet und sich rechtzeitig aus
dem Staub gemacht. Das sah ihr ähnlich. Marthel ging Konflikten ihr Lebtag lang
mit schlafwandlerischer Sicherheit aus dem Weg.
    »Ich will 5.000 Euro«, sagte Rosa, die sich zu Karle an den
wackligen Tisch setzte. »Das ist nichts, nichts im Vergleich zu dem, was ich
all die Jahre in das Dings investiert habe. 5.000! Wenn ich die von euch nicht
kriege, mach ich das Grab platt und lass mich verbrennen.«
    »Aber du bist doch erzkatholisch.« Karle holte Streichhölzer
aus dem Hosensack und zündete die Zigarre an.
    »Papst auf Sparflamme. Nebenher glaube ich an
Wiedergeburten.« Rosa schüttelte den Kopf. »Was für ein Rohr. Du hast früher
immer nur Stumpen geraucht.«
    »Ich bin zu alt zum Sparen«, sagte Karle und sah ihr fest in
die haselnussbraunen Augen, die einen giftgrünen, katzenhaften Rand hatten.
»Von mir aus kriegst du die 5.000. Für dein Seelenheil. Auch wenn es gescheiter
wäre, endlich die Küche zu richten. Wer weiß, wie viele Winter wir dort drin
noch verbringen, und wenn es mich am Täfer hinunterhaut, weiß Marthel nicht,
wie man die Maler bestellt. Sie kann ja nicht mal einen Kontoauszug lesen! Was
macht sie, wenn das Internetbanking den letzten Hansel von der Sparkasse
wegfrisst? Die Namen der Banken und Versicherungen ändern sich dauernd, man
kommt nicht mehr mit! Wie soll sie denn die Volksbank noch finden, wenn dort
jetzt ein Billigback sitzt mit Brezeln aus China? Sie hätte jeden Pfennig
verdient, den ich zusammengekratzt habe, jeden Pfennig. Aber von mir aus.
Marthel merkt eh nichts. Und ich will nicht schuld sein, wenn du in die Hölle
kommst. Außerdem treff ich dich dort ungern wieder.«
    Rosa lachte polternd, wobei sie die braunen, vom
Getreidekauen stumpfen Zähne zeigte, und Karle fiel ein. Mit der flachen Hand
schlug er begeistert auf die Armlehne seines Gartenstuhls. So viel hatte er
seit Wochen nicht geschwätzt. Es war die Aufregung. Heimlich lauerte er darauf,
dass Rosa eine dezidiertere Anspielung machte. Was hieß schon Stasi.
Schließlich war auf der Terrasse seines Schwiegersohns das Unglück passiert.
Karle konnte nicht geschossen haben, weil er kurz vorher erfolgreich einen
Schlaganfall simuliert hatte, doch der Gebrauch seiner Schusswaffe hatte zum
finalen Abgang geführt. Getroffen hatte es den Richtigen, den mutmaßlichen
Vater seiner erstgeborenen Enkelin, einen Verräter erster Güte. Das stank zum
Himmel. Doch Rosa schien ihn kein bisschen erpressen zu wollen. Karle bereute
sein schnelles Versprechen. Heftig zog er an der Zigarre und blies
Rauchschwaden in die Luft. »Gut, also 5.000. Aber es ist nicht umsonst.«
    »Was du nicht sagst.« Rosa schenkte sich Pfefferminztee ein.
    »Du musst etwas dafür leisten.« Er verschluckte sich und
hustete. »Es ist ein klein wenig kompliziert. Bestimmt weißt du nicht, wer das
ist, der Mantelmörder.«
    »Pfeifendeckel.« Rosa sah ihn an. Ihr Lid flackerte. Etwas
Ungesundes kochte in ihr hoch. Es war der nackte Zorn. Karle merkte, dass er
die Sache verbockt hatte. Er las es in ihrem Gesicht: Am 19. Mai wurde sie 83,
und ihr Bruder nahm sie immer noch nicht ernst. Sie würde ihm das Spotten schon
lehren. Obwohl Karles Schädel faltig war, gelblich und voller saftiger
Altersflecken, trotz der schwarzen Mitesser auf Nase und Schläfe und der Warze
auf dem rechten Wangenknochen, trotz der trüben, tränenden Augäpfel, der
Strichlippen und dem Tropfen, der ihm aus der Nase rann, sah sie einen jungen
Spund vor sich, der sie unverschämt musterte. Rosa fühlte eine Mordswut in sich
aufsteigen, das entging Karle nicht. Es war die Wut, die sie gespürt hatte, als
er fidel aus der französischen Gefangenschaft kam, in einer gestohlenen
US-Uniform, einen halben Speck im Beutel und amerikanische Zigaretten. Karle
hatte ausgesehen wie ein alliierter Filmheld,

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