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Totenmahl - Totenmahl - Death Dance

Titel: Totenmahl - Totenmahl - Death Dance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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seitdem?«
    Er kannte die Antwort auf diese Frage. Ich hatte ein Jahresabo für das American Ballet Theater und ging so oft ich konnte in die Oper. »Dutzende Male, Mike. Vielleicht Hunderte Male.«
    Er wollte auf irgendetwas hinaus, und ich wartete geduldig ab, dass er endlich zum Punkt kam.
    »Ich weiß, dass du die Tiefgarage nicht magst, aber hast du jemals Angst gehabt, wenn du in der Met gewesen bist?«
    »Angst? Im Zuschauerraum? Ich komme hierher, wenn ich ausspannen und mich von den widerlichen Sachen ablenken will, die wir jeden Tag bei der Arbeit sehen und hören. Wenn ich hier bin, ist das für mich wie eine andere Welt.«
    Am Ende eines langen Arbeitstages ließ ich mich liebend gern in einen der samtbezogenen Sitze sinken und wartete darauf, dass sich der Seidenvorhang in wagnerianischem Stil hob und faltete und die zweiunddreißig Kristallleuchter zur Blattgolddecke emporschwebten, während im Saal langsam die Lichter ausgingen. In den darauf folgenden zwei oder drei Stunden konnte ich total in der Welt versinken, welche die Künstler mir vorgaukelten.
    »Ich will euch erzählen, wann ich zum ersten Mal hierher kam«, sagte Mike. »Ich war so alt wie du - ungefähr zehn.«
    Mike hatte vor wenigen Monaten seinen siebenunddreißigsten Geburtstag gefeiert, und ich würde am Ende des Monats genauso alt werden. Mercer war fünf Jahre älter; er und seine Frau Vickee, die ebenfalls als Detective im Polizeidienst tätig war, hatten einen einjährigen Sohn.
    »Es war Ende Juli, unter der Woche, ich verbrachte den Tag mit meinem Vater. Es kam nicht oft vor, dass er den ganzen Tag zu Hause war.«
    Wir wussten beide über Mikes Vater Bescheid. Brian Chapman hatte sich in seinen sechsundzwanzig Dienstjahren einen legendären Ruf als Polizist erworben. Als er achtundvierzig Stunden nach seiner Pensionierung einem Herzinfarkt erlag, festigte es nur Mikes Entschluss, in seine Fußstapfen zu treten.
    »Jemand hatte ihm Tickets für das Yankee-Spiel gegeben, und ich war total aus dem Häuschen. Er kam um acht Uhr früh aus dem Dienst, schlief ein paar Stunden und ging dann mit mir und ein paar Freunden auf die Straße, um Stockball zu spielen. Dabei kommt es darauf an, den Ball möglichst weit zu schlagen, drei Gullys oder noch weiter.«
    Mercer kannte das New Yorker Straßenspiel und nickte.
    »Das hast du in deinem Vorort nie gespielt, oder, Coop? Damals gab es noch keine Handys. Meine Mutter rief Dad ins Haus, weil sein Boss am Apparat war. Als er wieder herauskam, nahm er mich beiseite und fragte, ob ich mitkommen wolle. Er sagte, es sei etwas dazwischengekommen, und er könne doch nicht mit mir zum Baseballspiel gehen. Er wusste, wie unglücklich ich darüber wäre, also bot er mir an, ihn zu begleiten. Ich hätte alle Yankee-Spieler hergegeben, von Babe über Mantle und Guidry hin zu Piniella und sogar Jeter und A-Rod, nur um bei meinem Dad zu sein, wenn er im Dienst war.«
    »Ich weiß, was du meinst«, sagte ich.
    »Er ließ mir die Wahl, also gab ich den anderen Kids die Karten für das Yankee-Spiel, und wir kamen in seiner alten Karre hier an und parkten in der Amsterdam Avenue, direkt hinter dem Lincoln Center. Ich erinnere mich noch, wie wir durch die Tiefgarage reinkamen und wie uns jeder aus dem Weg ging, sobald er seine goldene Dienstmarke zückte. ›Im Dienst‹ - das höre ich ihn heute noch sagen. Er erzählte mir, dass eine Frau vermisst wurde, eine Orchestermusikerin, und dass man schon eine Großfahndung eingeleitet hatte. Der oberste Boss vernahm gerade ihren Mann im Revier. Sie brauchten alle zur Verfügung stehenden Cops, weil die Oper so riesig war.«
    »Ist sie wie Natalja mitten während der Vorstellung verschwunden?«, fragte Mercer.
    Gleichzeitig fragte ich: »Warum hat dich dein Vater zu einem neuen Fall mitgenommen?«
    Mike antwortete mir zuerst. »Weil er den gleichen Gedankengang hatte wie du, Coop. Es ist die Metropolitan Opera, Herrgott noch mal. Das Große Haus, so nannten sie es damals. Viertausend Menschen - viertausend! - saßen dort auf einer Seite des Vorhangs.« Er deutete auf die Tür zum Zuschauerraum. »Vierhundert Leute arbeiteten bis zum Umfallen, um die Show am Laufen zu halten, und jemand verschwindet aus dem Orchestergraben, ohne dass es auch nur eine Person in dem ganzen Schuppen mitkriegt? Unmöglich.«
    Ich nickte.
    »Sie muss sich über etwas geärgert haben und in der Pause rausgegangen sein. Das dachten er und alle anderen Cops. Und ihre Freunde im Orchester. Die

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