Totenmahl - Totenmahl - Death Dance
Frau, die hinter ihr saß, schob einfach die Geige der jungen Frau unter den Sitz, und der Dirigent machte weiter. Hey, ihr kennt doch die Statistiken besser als jeder andere. Frauen werden viel eher von jemandem verletzt oder ermordet, den sie kennen und lieben, als von einem Unbekannten.«
»Deshalb hat man den Ehemann gegrillt, während die Cops das Opernhaus abgesucht haben«, sagte Mercer.
»Genau. Er dachte, es wäre ein banaler Ehestreit. Aber darum ging’s meinem Vater gar nicht. Es ging ihm nicht um den Fall oder die Polizeiarbeit.« Mike sah mich an.
»Um was dann?«
»Mein Alter war bis zu diesem Tag noch nie in der Met gewesen. Er wusste nichts über so vornehme Sachen wie die Oper oder das Ballett. Bei uns zu Hause hörte man Sinatra und Dean Martin, Judy Garland und Dinah Shore. Nicht Pavarotti, Caruso oder die Callas. Für die Unterhaltung sorgte der Fernseher im Wohnzimmer, und ansonsten war es das höchste der Gefühle, mal ins Kino oder zu einem Boxkampf zu gehen. Das war die Gelegenheit für meinen Vater, mir etwas Kultur nahe zu bringen - was mir so fremd war wie Ihnen, Ms Cooper, Stockball und warmes Bier.«
Mike ritt gerne auf unserer unterschiedlichen Herkunft herum. Meine Mutter war Krankenschwester gewesen, aber nach ihrer Heirat und der Geburt meiner beiden älteren Brüder und mir hatte sie zu arbeiten aufgehört. Unser Lebensstil erfuhr eine dramatische Veränderung, als mein Vater Benjamin zusammen mit seinem Partner eine medizinische Erfindung gemacht hatte, die über fünfzehn Jahre lang in den meisten Herzklappenoperationen des Landes zum Einsatz gekommen war. Der winzigen Cooper-Hoffman-Klappe verdankte ich meine hervorragende Ausbildung am Wellesley College und am Juristischen Seminar der Universität von Virginia, mein altes Farmhaus auf Martha’s Vineyard, wo ich mich von meinem turbulenten Job erholte, und die Tatsache, dass ich mir viele kleine Annehmlichkeiten gönnte, die ich mir von meinem Gehalt als Staatsanwältin nie und nimmer hätte leisten können.
Ich wusste, dass Mike für seinen Vater genauso großen Respekt empfand wie ich für meinen. »Es war bestimmt toll für ihn, dich dabeizuhaben«, sagte ich.
»Ich weiß noch, wie wir durch die Gänge marschierten - endlose graue Korridore mit Türreihen auf beiden Seiten. Das Gebäude ist so groß wie eineinhalb Fußballfelder. Irgendwie landeten wir auf der Hauptbühne und sahen in den leeren Zuschauerraum. Es gab so viele Reihen, dass ich mir den Hals verrenken musste, um bis ganz nach hinten zur letzten Reihe zu sehen.«
»Daran erinnerst du dich noch?«, fragte Mercer.
»Der Petersdom hätte mich nicht mehr beeindrucken können. Es war der schönste Ort, den ich bis dahin gesehen hatte. All das Gold, und die riesigen Kristalle in den Leuchtern - damals erschienen sie mir so groß wie Tennisbälle. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Und erst die Schauspieler und Tänzer in ihren Kostümen hinter der Bühne - die Frauen waren halb nackt, und die Männer liefen in Strumpfhosen und mit freiem Oberkörper herum.«
»Was hat dein Vater gemacht?«, fragte Mercer.
»Er hatte sich wohl vorgestellt, dass ich bei den Proben zusehe, während er arbeitet«, sagte Mike. »Aber die meisten Künstler waren zu abgelenkt, um sich auf ihren Auftritt zu konzentrieren. Also bin ich mit ihm mitgegangen. Er hat ja nichts Schlimmes erwartet. Und seine Kollegen kannten mich alle. Erinnert ihr euch noch an Giorgio und Struk? Es war ihr Fall.«
Zwei der intelligentesten Detectives, mit denen ich am Anfang meiner Karriere zu tun hatte; als ich als Staatsanwältin anfing, waren sie schon alte Hasen in ihrem Job.
»Sicher. Hat Giorgio dich nicht eingearbeitet?«, fragte ich.
Mike nickte. »Jerry G. war damals noch ein Junge. Er bat Dad, in den dritten Stock hinaufzugehen. Jedes Mal, wenn uns auf dem Weg dorthin jemand im Kostüm über den Weg lief, blieb er stehen und stellte mich vor. Ich weiß nicht, was er sich dabei gedacht hat, aber vielleicht meinte er, dass die Klasse der Leute, die er für berühmt hielt, auf mich abfärben könne, wenn ich ihnen die Hand gab.« Die Erinnerung brachte ihn zum Lachen.
»Nett«, sagte Mercer und lächelte ihn an. »Nette Idee.«
»Die Mädchen waren eine Augenweide. Sie waren alle so wunderschön und zart. Mit samtweichen Schultern und glitzernden Juwelen an den Ohren und im Haar.« Mike lächelte Mercer an. Ich hatte ihn seit Vals Tod nicht mehr so lebhaft und glücklich gesehen. »Ich hatte
Weitere Kostenlose Bücher