Totenmahl - Totenmahl - Death Dance
drängte, etwas zu unternehmen.
»Wer hatte die Musikerin umgebracht?«, fragte ich.
»Ein einundzwanzigjähriger Bühnentischler. Er hat sie abgefangen, als sie sich hinter der Bühne auf dem Weg zu einer Verabredung mit einem der Tänzer verlief. Ein milchgesichtiger Junge mit einem schlimmen Alkoholproblem. Er gab vor, ihr den Weg zu zeigen, und versuchte sie zu vergewaltigen, aber sie wehrte sich. Sie schnappten ihn auf die altmodische Art; das war noch vor DNA. Man fand Fingerabdrücke an den Rohren in der Nähe der Stelle, wo sie vom Dach gestürzt war, und erzwang ein Geständnis. Wie heißt noch mal der Richter, mit dem du immer flirtest?«
Ich lachte. »Roger Hayes?«
»Er war damals der zuständige Staatsanwalt. Geniale Prozessführung. Mein Dad hat alle Zeitungsausschnitte gesammelt. Ich habe das Album immer noch zu Hause - und der Mörder verrottet in einem Gefängnis in Upstate New York.«
Mike öffnete die Tür zum Zuschauersaal und bat Dobbis und Vicci wieder zu uns.
»Wo möchten Sie anfangen?«, fragte Chet Dobbis.
»Die Spurensicherung untersucht die Stelle, wo man die Objekte gefunden hat«, sagte Mike zu Mercer und mir. »Nicht weit davon ragte ein Nagel aus der Wand. Sieht so aus, als hätten sich Taljas Haare daran verfangen. Es hat ihr ein ganzes Büschel herausgerissen.«
Er wandte sich wieder an Dobbis. »Wo können wir uns ungestört unterhalten?«
»Im Saal findet gerade eine Probe statt. Das wäre keine gute Idee. Vielleicht in Nataljas Garderobe. Rinaldo?«
»Natürlich. Kein Problem.«
Dobbis zeigte auf eine Tür. »Hinter der Bühne, links.«
Ich ging mit Dobbis voraus, Mike und Mercer folgten uns, und Rinaldo Vicci bildete das Schlusslicht.
»Wie sieht es mit den Sicherheitsvorkehrungen aus?«, fragte Mike.
»Bis heute hätte ich gesagt, ziemlich gut.«
»Und während der Vorstellungen?«
»Durch den Haupteingang kommt man natürlich nur mit einer Eintrittskarte. Dreitausendachthundert Sitzplätze - für das Parkett Mitte fängt es bei neunzig Dollar an, dann folgen sechs Ränge und ganz oben der Balkon.«
Mike stupste mich in den Rücken. »Ich wette, da oben hast du noch nie gesessen, Coop. Allein bei dem Gedanken würde dir schwindlig werden.«
»Zweihundertfünfundsiebzig Stehplätze hinten an der Wand. Das macht über viertausend Plätze.«
»Wie viele Angestellte?«
»Einige Hundert. Bühnenarbeiter, Elektriker, Maskenbildner, Kostümdesigner und Ausstatter. Jedes Element des Bühnenbildes, jedes Kleidungsstück, jede Requisite für die über fünfundzwanzig Opern, die hier pro Saison aufgeführt werden, wird im Haus angefertigt. Dazu kommen dann noch Gäste, die unsere Räumlichkeiten anmieten, beispielsweise Balletttruppen wie das Royal Ballet, die ihre eigenen Leute mitbringen.«
»Das macht also jeden Tag -«, sagte ich.
»Hunderte von Angestellten, und Hunderte, die hier einund ausgehen. Jeden Tag finden Führungen statt - für Schüler, Touristen, Künstler und Würdenträger auf der Durchreise -, und den ganzen Tag über werden Sendungen angeliefert. Die Künstler bekommen Besuch - von Familienangehörigen, Freunden, Produzenten, bei denen sie vorsprechen. Dazu Coaches, Souffleusen, Dirigenten. Einige Tausend, würde ich sagen.«
»Muss jeder durch die Sicherheitsschranke?«
»Sie kommen durch den Bühneneingang herein. Sie müssen sich natürlich ausweisen. Für die Angestellten haben wir eine Namensliste, in die sie sich eintragen. Für die anderen nicht.«
Der graue Betonkorridor wirkte trostlos und kalt. Auf einer Seite standen riesige Schrankkoffer, auf denen in weißen Lettern der Name des Royal Ballet eingeprägt war. In einigen offenen Truhen lagen Bauerngewänder und Piratenhemden, die für das Tanzrepertoire der kommenden Woche bestimmt waren.
Mike klopfte mit den Knöcheln auf eine Truhe und rief einem uniformierten Cop am Ende des langen Flurs zu: »Hol Verstärkung! Macht sie alle auf! Und wenn ihr sie aufbrechen müsst.«
Wir gingen jetzt im Gänsemarsch, Dobbis an der Spitze. »Das hier ist die Krankenstation. Krankenschwestern sind den ganzen Tag im Dienst, und während jeder Vorstellung ist ein Arzt im Haus. Talja wusste das auch.«
Die nächste Tür. Er drehte den Knauf, aber sie ließ sich nicht öffnen.
»Tierdresseure. Vorschrift des Tierschutzvereins. Immer wenn wir eine Oper aufführen, in der ein Pferd, ein Esel oder ein Kamel vorkommt, müssen wir uns an die Tierschutzvorschriften halten. In Giselle kommen ein paar
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