Totenmal
Schluss.«
Den Fahrstuhl hatten sie wie immer nicht benutzt, um neugierigen Blicken und dummen Fragen in der Fahrstuhlkabine aus dem Weg zu gehen. Aber im Treppenhaus war es heute nicht besser gewesen. Immer wieder waren ihnen Kolleginnen und Kollegen begegnet, die die Finger zum Victory-Zeichen erhoben oder mitleidig Blicke ausgesendet hatten, je nach Informationsstand.
Malbek und Lüthje hatten beides ignoriert.
»Ich denke, dass Schackhaven erst mal einen Arztbesuch machen wird«, sagte Lüthje, als sie lässig mit einem Tippen an die Stirn an der Pförtnerloge vorbeigingen. »Und es sollte mich nicht wundern, wenn er danach erst mal krankgeschrieben ist. Schon komisch, letztes Mal, als ich mit ihm zu tun hatte, war das auch so. Nur etwas dramatischer. Aber der Tag ist ja noch nicht zu Ende.«
»Wir fahren mit meinem Wagen«, entschied Lüthje.
»Wo willst du hin?«, fragte Malbek, als sie einstiegen.
»Keine Ahnung«, sagte Lüthje und bog nach links in den Knooper Weg ein. Dann nach rechts in die MöllingstraÃe.
»Hier hab ich mal in einem Tabakladen nach dem Abitur einen Aufhilfsjob gehabt.« Lüthje deutete nach rechts. »Ãberweisungsformulare mit der Schreibmaschine ausfüllen. Sie haben mir nach ein paar Stunden zwanzig Mark gegeben und mich weggeschickt.«
Malbek sah ihn mit groÃen Augen an.
Lüthje bog nach rechts in die Eckernförder LandstraÃe und dann wieder nach rechts in den Westring ein. Und bremste kurz vor der Kreuzung Eckernförder LandstraÃe ab.
»Aus irgendeinem Grund war hier immer eine Parklücke frei«, sagte Lüthje und sah über die rechte Schulter nach hinten, als er einparkte.
»An der Kreuzung da vorn war früher eine Hähnchenbraterei. Die hatten hervorragende Backhähnchen im StraÃenverkauf. Da bin ich oft von der Fachhochschule Altenholz hierhergefahren und hab genau hier immer einen Parkplatz gefunden. Komisch, nicht?«
»Und warum erzählst du mir das alles?«, fragte Malbek.
»Um dich vorübergehend auf andere Gedanken zu bringen. Aber jetzt gehtâs weiter. Du musst Fröbe in seinem Hotel, in der traditionsreichen Justizvollzugsanstalt Lübeck, besuchen und herausfinden, was damals los war.«
»Ach du lieber Himmel«, rief Malbek. »Der ist doch längst scheintot!«
»Da wirst du sehen, ob er noch einigermaÃen klar im Kopf ist. War Fröbe nicht auch mal wie du in Neumünster untergebracht?«
»Ja, Fröbe wegen seiner Krankheit. Die hatten eine spezielle Bestrahlungstherapie in Kiel. Und für mich hatten sie die ersten Jahre keinen Platz in Lübeck.«
Lüthje griff sich die Akte, die Malbek in der Hand hatte, und blätterte eine Weile darin herum.
»Dachte ich mir. Ganz offiziell mit Formular an die Unfallkasse Schleswig-Holstein gemeldet, der Arbeitssicherheitsbeauftragte hat unterschrieben. In der Tischlerei ist es passiert. Der Arbeitsplatz ist überprüft worden. Das ist alles.«
»Hauptsache, Fröbe lebt noch«, sagte Lüthje.
Er öffnete Malbeks Seitenfenster mit einer Taste in der Mittelkonsole. Das war die einzige Möglichkeit, um atembare Luft in den Wagen zu bekommen. Neben Lüthjes Fenster brandete die Feierabendblechlawine auf dem Westring vorbei.
»Hast du seit heute Morgen schon was gegessen?«, fragte Lüthje und sah angestrengt durch die Windschutzscheibe.
»Und du?«
»Bei Andrea Bordevig hat es nach Gemüsesuppe gerochen. Ich hätte abgelehnt, wenn Sie mir was angeboten hätte. Der Lavendelgeruch dabei hat mich misstrauisch gemacht.« Lüthje beugte sich weiter vor. »Da ist zwar kein Wienerwald mehr drin, aber es sieht nach Fast Food oder so aus.«
»ScheiÃegal. Ich verhungere.«
Eine Minute später standen sie vor der verglasten Theke des Eckbistros und sahen auf eine Auswahl von Baguettes und Salaten.
»Da könnte man ein super Fischbrötchen draus machen. Habt ihr Rollmops oder geräucherten Fisch?«, fragte Lüthje.
Der Jüngling hinter der Theke schüttelte entsetzt den Kopf. »Nur Hähnchenfleisch. Gebraten oder mariniert.«
Sie orderten extralange Baguettes mit doppelt gebratenem Hähnchenbelag. Und sämtlichen Salaten, die verfügbar waren. Und Kieler Selterwasser zum Nachspülen.
Im Wagen kämpften sie mit der Verpackung, die schlieÃlich auf dem Rücksitz landete. Dabei bekam die
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