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Totenmesse

Titel: Totenmesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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den Gebäuden. Wenn Ihre Frage darauf abzielt, was als Erstes evakuiert werden sollte – denn ich gehe davon aus, dass Sie an eine Evakuierung denken –, schlage ich den gesamtenStadtteil Gnistan vor, also alles im Quadrat Karlavägen-Skeppargatan-Kommendörsgatan-Grevgatan.«
    Hultin nickte und wandte sich dann an den bärtigen Sprengstoffexperten mit der üppigen Statur. »Zurück zum Thema Sprengkraft«, sagte er. »›Halb Östermalm‹ ist mir zu vage. Dies sind doch massive Häuser aus einer Zeit, als es seitens der Architekten noch so etwas wie persönliche Verantwortung gab. Was ist Ihre realistische Einschätzung?«
    Â»Halb Östermalm«, sagte der Bärtige.
    Â»Und dafür wollen Sie ein saftiges Beraterhonorar?«
    Darauf reagierte der Bärtige. Offenbar daran gewöhnt, sich ungestört von Katheder zu Katheder zu bewegen, ein paar Floskeln herunterzuleiern und für seine Beratungs-GmbH einen Berg von Kohle einzustreichen, war er jetzt so überrascht, dass er sich in ein Wunder an Effizienz verwandelte. Er zog den Laptop des Informatikers an sich und berechnete, kalkulierte, laborierte im Internet und gelangte schließlich zu einer etwas strukturierteren Schlussfolgerung: »Ich würde das ganze Viertel Gnistan und die nächstgelegenen Häuser auf der anderen Seite der Grevgatan beziehungsweise Skeppargatan räumen. Wir brauchen nicht bis hinunter auf die andere Seite der Kommendörsgatan zu gehen. Ich würde auch die nahe gelegenen Geschäfte auf der gleichen Seite von Karlavägen schließen. Sicherheitshalber würde ich die beiden Schulen in der Nachbarschaft einbeziehen, Carlssons und Östra Real. Da der Karlavägen so breit ist, würde ich mich damit begnügen, für diejenigen, die auf dieser Seite wohnen oder arbeiten, eine Warnung auszugeben, und ich würde einen allgemeinen Aufruf in den Medien veranlassen: Haltet euch von dem Viertel westlich des Karlaplan fern. Ungefähr so.«
    Â»Danke«, sagte Jan-Olov Hultin und meinte es auch so. »Wie habt ihr das mit der Evakuierung gesehen, bevor ich gekommen bin?«
    Â»Ungefähr genauso«, sagte die Polizeipräsidentin. »Aberdas mit einem ordentlichen Kernbereich ist eine gute Idee. Wir nehmen eine Totalevakuierung des Kernbereichs vor und lassen die umliegenden Gebiete sukzessive etwas langsamer räumen. Damit es nicht zu einer Panik kommt.«
    Â»Konzentrische Panikvermeidungsstrategie«, sagte Waldemar Mörner gravitätisch.
    Auch der NE-Chef raffte sich zu einer Äußerung auf: »Nichts deutet darauf hin, dass sie ohne Vorwarnung die Bank sprengen. Sie haben Geiseln, und der Sprengstoff ist eine Methode, ganz Östermalm in Geiselhaft zu nehmen. Das sind direkte Parallelen. Es sollte also Zeit sein für eine Evakuierung.«
    Â»Ich werde die Evakuierung veranlassen«, sagte die Polizeipräsidentin und griff zu einem Telefon.
    Während sie ihr Gespräch führte, fragte sich der pensionierte Kriminalkommissar Jan-Olov Hultin, wie es kam, dass er selbst sofort in der Chefrolle gelandet war. Hatte er sich wie ein Brecheisen hineingedrängt, hatte es sich einfach so ergeben, oder war es von vornherein so beabsichtigt gewesen?
    Er beobachtete seine Nachfolgerin. Kerstin Holm sah aus, als wäre sie gut in Form, und auch wenn ihm die Geschehnisse von Mittsommer vergangenen Jahres nicht in allen Einzelheiten klar waren, schien sie gute Arbeit zu leisten. Es war ihr auch gelungen, aus Paul Hjelms Nachfolger Jon Anderson einen brauchbaren Mitarbeiter zu machen. Er selbst hätte das nicht geschafft. Er lächelte ihr zu. Sie lächelte zurück. Warum fand diese phantastische Frau niemanden, mit dem sie ihr Leben teilen konnte? Er versuchte sich vorzustellen, wie es wäre, allein zu leben. Die Vorstellung gefiel ihm nicht. Mein Gott, wenn Stina stürbe? Was für ein verschrobener Kerl würde er werden?
    Seltsamerweise dachte Kerstin Holm fast das Gleiche. Hultin sah aus, als wäre er gut in Form. So sieht ein Mensch aus, der das ganze Leben jemanden an seiner Seite gehabthat, mit dem er alle Höhen und Tiefen teilen konnte. Sah sie selbst anders aus? Sah man, dass sie einsam war? Sie hatte zwar jetzt ihren Sohn Anders, aber seit den Enttäuschungen des vergangenen Mittsommers hatte sie nicht mehr die Kraft aufgebracht, auch nur einen Schritt auf das andere Geschlecht zuzugehen. Der

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