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Totenmesse

Titel: Totenmesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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Liebesverrat hatte sie tief ins Mark getroffen.
    Ihre Gedanken wurden von einem Tumult auf dem Flur unterbrochen. Die Polizeipräsidentin legte die Hand über den Hörer, seufzte und schüttelte den Kopf. »Es ist schon das dritte Mal, dass Journalisten sich Zugang verschaffen. Wir müssen die Wachen verstärken.«
    Die Tür wurde aufgestoßen, und ein kräftiger Polizist von ungefähr fünfundzwanzig wurde von einer unerhörten Kraft rückwärts in den Raum gedrückt. Einen kurzen Moment lang dachte Hultin: Aha, Phase zwei der Terroraktion, die Einsatzleitung ausschalten. Aber das ging vorüber, als der Scheunentorpolizist brüllte: »Jetzt kannst du verdammt noch mal Polizeigewalt erleben, Knilch. Hier kommst du nicht ohne Ausweis rein.«
    Â»Den habe ich vergessen«, schrie eine bekannte Stimme in einem unbekannten Tonfall. Panik?
    Kerstin Holm war schon bei der Scheunentür. Sie legte ihre Hand auf deren zu gleichen Teilen von Adrenalin und Testosteron aufgepumpte Schulter und ließ sie damit zwanzig Zentimeter sinken. »Es ist in Ordnung jetzt«, sagte sie. »Danke. Geh wieder an deinen Platz.«
    Das Scheunentor starrte sie ein paar Sekunden an und wich dann zurück. Betäubt von Schönheit. Sichtbar wurde ein bedeutend schmalerer Mann mit Plastikbrille und Armanianzug. Er zitterte. »Meine Frau ist da drin«, sagte er.
    Â»Deine Frau?«, stieß Kerstin Holm hervor.
    Â»Meine frühere Frau, meine Exfrau. Cilla.«
    Hultin stand auf und trat zu seinem früheren Adepten. »Ist Cilla da drin?«, sagte er. »Als Geisel?«
    Hjelm starrte Hultin an, und der Anblick hatte spürbar beruhigende Wirkung. »Was machst du denn hier?«, sagte er.
    Â»Berater«, sagte Hultin. »Wie kommst du darauf, dass Cilla da drin ist?«
    Â»Ich habe eine SMS bekommen: ›Hilfe Geisel Cilla.‹«
    Â»Wann?«
    Â»Zehn Uhr zweiundvierzig«, sagte Hjelm leise.
    Hultin nickte. »Es scheint zu stimmen«, sagte er. »Aber im Moment können wir es nicht bestätigen. Wir haben keinen Kontakt«, fügte er hinzu und zeigte auf das hellrote Telefon.
    Â»Hast du geantwortet?«, fragte Kerstin Holm.
    Â»Auf die SMS? Nein.«
    Â»Gut. Wir sollten uns nicht darauf verlassen, dass sie eine Möglichkeit hatte, den Ton auszuschalten, aber so wie ich sie kenne, wird sie es versuchen.«
    Ich bin sicher, dass du sie bedeutend besser kennst als ich, dachte Paul Hjelm.
    Â»Wir haben also einen Kontakt da drinnen?«, sagte der Reichskrimchef hoffnungsvoll.
    Â»Es ist meine Frau, verdammt«, sagte Hjelm.
    Â»Exfrau«, sagte Holm.
    Jan-Olof Hultin spürte, dass es jetzt angebracht war, laut zu werden: »Darf ich vorschlagen, dass wir die Einsatzleitung um die A-Gruppe erweitern? Und uns in den Konferenzraum setzen? Was wir jetzt brauchen, sind Ideen.«
    Die linke Gesichtshälfte des NE-Chefs verzog sich für einen kurzen Moment, der beste Informatiker zuckte zusammen beim Gedanken, die ganze Technik ab- und neu aufbauen zu müssen, doch für alle übrigen Anwesenden schien der Vorschlag akzeptabel zu sein. Gemeinsam mit der Expertengruppe wurde es eine ziemlich umfangreiche Einsatzleitung.
    Sie waren auf dem Weg aus dem Zimmer, als das hellrote Telefon auf dem Schreibtisch klingelte.
    Es schrillte sehr sonderbar.

10
    Wie sehen wortlose Gedanken aus? Ein Geisteszustand ohne Sprache? Es war der Zustand, in dem sie jetzt eine Zeit lang gelebt hatte, es konnten ebenso gut zwei Tage sein wie zwei Minuten. Es war, als wäre die Sprache von drei kleinen Worten abgeschaltet worden.
    Zuerst kam ›Hilfe‹. Es bedurfte großer Selbstüberwindung, das Wort überhaupt zu schreiben, für sie, die beschlossen hatte, nie wieder Hilfe zu benötigen. Schon gar nicht von einem Mann. Und am allerallerwenigsten von ihrem Exmann.
    Dann kam das Wort ›Geisel‹. Wie schnell die Einsicht da war. Die Maskierten waren noch nicht viele Sekunden im Bankgebäude, als sie sich ausmalte, was geschehen würde. Erniedrigung, Vergewaltigung, vielleicht das Stockholmsyndrom und lebenslange Traumata, vielleicht, dass sie in die Luft gesprengt oder erschossen oder langsam verblutend sterben würde. All das musste in dem kleinen, dem Anschein nach so harmlosen Wörtchen ›Geisel‹ zusammengefasst werden.
    Und am Schluss schrieb sie ›Cilla‹. Merkwürdig, dass sie das Gefühl hatte,

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