Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Totenmesse

Titel: Totenmesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
Vom Netzwerk:
echt.«
    Jan-Olov Hultin machte ein paar Schritte auf den Experten zu und bohrte seinen eisigsten Blick in ihn. »Sind Sie sicher?«, fragte er. »An dieser Verbindungsfuge hängen eine Menge Menschenleben.«
    Â»Ich bin sicher«, erwiderte der Sprengstoffexperte. »Bombensicher.«
    Eine brisante Metapher, dachte Hultin und nickte.
    Â»Wir gehen rein«, sagte der Chef der Nationalen Einsatztruppe, aber er sagte es nicht zu den versammelten Kollegen, sondern in ein Walkie-Talkie. Zehn Sekunden später standen zwei NE-Männer in voller Ausrüstung im Sitzungsraum. Und ihr Chef machte eine Verwandlung durch. Dies war der Augenblick, auf den er gewartet und für den er gelitten hatte. Er übernahm das Kommando und schubste Hultin auf einen Stuhl. »Grundriss«, sagte er, und der Techniker schien neue Kräfte zu bekommen. In wenigen Sekunden hatte er den Grundriss der Bank an die Wand geworfen.
    Der NE-Chef redete jetzt ausschließlich zu seinen beiden Leuten. Die anderen im Raum hatten aufgehört zu existieren. »Lönnqvist, du nimmst die halbe Truppe und gehst durch das rechte Fenster. Rettung der Geiseln hat höchste Priorität. Renberg, du nimmst das linke Fenster. Von dort geht es direkt zu den Bankräubern. Eine Ecke, links die Bankfächer, die Räuber geradeaus. Hier. Wir warten, bis der Große rauchen geht. Dann scheint er die MP abzulegen. Wenn alles klappt, kommen sie gar nicht erst zu den Geiseln hinein.«
    Â»Keine Toten«, sagte Hultin. »Wir wollen eine Lösung. Nicht nur ein Ende.«
    Er wurde astrein ignoriert.
    Â»Bedrohungsprofil?«, fragte Renberg.
    Â»Der Große ist die Muskelkraft«, sagte der NE-Chef. »Aber ich tippe, dass der Kleine der Gefährlichere ist. MP für den Großen. Pistole für den Kleinen.«
    Die drei waren im Begriff zu gehen, als Kerstin Holm mit sehr scharfer Altstimme sagte: »Ich will einen Mann dabeihaben.«
    Die drei blieben stehen wie ein Mann.
    Â»Warum das, zum Teufel?«, sagte der NE-Chef. »Die Jungens hier sind top getrimmte Elitepolizisten.«
    Â»Die A-Gruppe hat diese Nuss geknackt«, sagte Holm. »Ich will exakt wissen, was da drinnen geschieht.«
    Â»Traust du mir nicht?«, sagte der NE-Chef mit Eisesstimme.
    Â»Ich gehe rein«, sagte Paul Hjelm und stand auf.
    Â»Du gehst ganz bestimmt nicht rein«, sagte Hultin.
    Â»Ich will Viggo dabeihaben«, sagte Kerstin Holm und dachte: Das will ich überhaupt nicht, ich will Gunnar Nyberg dabeihaben.
    Â»Norlander?«, stieß Lönnqvist aus.
    Â»Der ist doch über fünfzig«, sagte der NE-Chef. »Der Mann hat Enkelkinder. Dies hier ist ein top getrimmter …«
    Â»Das haben wir schon gehört«, unterbrach ihn der Reichskrimchef und enthüllte damit, wer von den Männern um den runden Tisch eigentlich König Arthur war: »Norlander geht mit.«
    Das Gesicht des NE-Chefs verfinsterte sich. Weil er keine Haare mehr hatte, durchlief der ganze Kopf einen Verfinsterungsprozess. Buchstäblich. Wurde violett. Dann verschwand er, gefolgt von seinen Knappen. Sie hatten exakt den gleichen Gang wie er.
    Viggo Norlander stand auf und sagte beleidigt: »Ich habe keine Enkelkinder.«

20
    Es ist ein Fenster.
    Ein Fenster von außen gesehen. Dahinter vage Bewegungen. Wie in einer Fruchtblase. Etwas halb Durchsichtiges, das sich dehnt und wölbt. Etwas, das hinauswill. Ins Freie.
    Die Wölbungen legen sich allmählich wie Meereswellen nach dem großen Sturm, die blanke Oberfläche glättet sich wie eine Fotografie des Todes. Und darinnen bewegt sich ein Kind.
    Ein kleiner Junge.
    Jemand zieht und zerrt an einer Fenstertür. Von außen. Und der Junge steht am Herd, vielleicht drei Jahre alt, er dreht an allen Regulierungsknöpfen. Und er klettert auf die Trittleiter vor dem Herd.
    Sie zieht noch einmal an der Tür, energischer diesmal. Aber es geht nicht. Er hat sie ausgeschlossen, hat am Schloss gespielt und es einschnappen lassen. Sie steht draußen auf dem Balkon, einen Korb mit gejätetem Unkraut in der Hand, und sieht den Jungen sterben. Er steigt noch eine Stufe höher auf der Trittleiter.
    Sie schlägt mit der freien Hand ans Fenster. Sie schreit. Aber der Junge hört nicht. Durch das dicke Glas dringt kein Geräusch. Sie lässt den Korb fallen. Das Unkraut fliegt langsam über den Steinbelag des Balkons. Streut sich aus wie in einem uralten

Weitere Kostenlose Bücher