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Totenmesse

Titel: Totenmesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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Fruchtbarkeitsritus.
    Die Sonne scheint, alles ist Licht, nichts als Licht. Das furchtbare Licht wird sie nie mehr verlassen. Das ist ihr klar.
    Ãœber dem Herd steht die Keksdose. Alle vier Herdplatten sind jetzt orange. Er will an die Keksdose. Bragokekse. Er ist auf der obersten Stufe der Trittleiter. Er ist drei Jahre alt und balanciert auf Zehenspitzen auf Höhe des Herds.Und die leckeren Kekse sind nur einen Meter vor seinen Händen.
    Er liebt Bragokekse.
    Sie sucht nach etwas, womit sie schlagen, kaputtschlagen kann. Eine Harke. Als sie sie hochhebt, weiß sie, dass es vergeblich ist. Sie schlägt trotzdem. Die Harke prallt an der Fensterscheibe ab. Sie bekommt sie ins Gesicht.
    Und die Sonne scheint, nichts als Licht.
    Paul Hjelm, denkt sie, du hast meinen Sohn ermordet mit deinem beschissenen einbruchsicheren Panzerglas.
    In diesem Augenblick fällt der Junge vornüber auf die Herdplatten.
    Und er ist da. Sie sieht nicht, ob der Junge die Platten noch berührt. Aber er ist da und hebt ihn hoch und verschwindet mit ihm.
    Der Herd steht leer da und glüht.
    Und die Sonne scheint, nichts als Licht.
    Wird sie jetzt eine andere?
    Da zersplittert Glas. Schwarze Scherben fliegen in die Bank. Sie bleiben in der Luft hängen. Das Licht funkelt darin. Wie ein Standfoto.
    Wie eine Fotografie des Todes.

21
    Natürlich war Viggo Norlander Polizist. Heute war er mehr Polizist als sonst. An diesem bleichen Donnerstag Mitte März.
    Er stand unten im Treppenhaus. Die Tür war geöffnet, die Waffen waren gezogen. Alle sechs. Seine eigene auch. Er glaubte sich zu erinnern, wie eine Maschinenpistole funktionierte.
    Er würde nie zugeben, dass er Probleme gehabt hatte, sich in die schwarze Uniform zu zwängen, dass sein Bauch eingeschnürt war wie in einem Korsett, dass er schon Blasen an den Füßen hatte von den groben Stiefeln und dass er nicht genau wusste, wie man das kugelsichere, dunkel gefärbte Visier des Helms herunterklappte.
    Sie warteten.
    Auf der anderen Seite des Karlavägen lag die Bank.

    Es sah immer noch aus wie ein Standfoto. Zwar hatten sie den Film eine Weile nicht angeschaut, doch nichts deutete darauf hin, dass irgendetwas verändert war. Immer noch die beiden Räuberrücken, immer noch der kleinere Räuber sitzend, die Hände vor sich auf dem Schreibtisch wie ein Konzertpianist, immer noch der größere mit der Maschinenpistole in der Hand und mit dem Hintern halb auf der Schreibtischplatte.
    Russen sind doch Kettenraucher, dachte Hultin, ohne vor seinen Vorurteilen zurückzuschrecken. Denn sie verhalfen ihm zu positiven Gedanken.
    Der Größere musste bald gehen und rauchen.
    Sonst würde er bald zu der nächsten Geisel stürzen und drauflosballern – eine andere Hypothese war nicht möglich, war nicht erlaubt –, und die nächste Geisel hieß Cilla Hjelm.
    Zeit verging. Nichts geschah.
    Um den runden Tisch im Konferenzraum der Immobilienmaklerfirma saß eine große Anzahl Menschen. Es waren die Kommissare Paul Hjelm und Kerstin Holm; es waren die Kriminalinspekteure Sara Svenhagen, Jorge Chavez, Arto Söderstedt, Jon Anderson, Lena Lindberg; es waren der Abteilungsleiter Waldemar Mörner, der Chef der Reichskriminalpolizei, die Länspolizeipräsidentin; der Phonologe Kurt Ehnberg, der Architekt Olle Larsson vom Stadtbauamt, ein Sprengstoffexperte und ein Polizeitechniker; es waren der geschäftsführende Direktor der Andelsbank, Haavard Naess, und der Sicherheitsbeauftragte der Bank, Geir von Langøya; und es waren, vorn am Schreibtisch, der Berater Jan-Olov Hultin und der Chef der Nationalen Einsatztruppe. Letzterer saß höher.
    Aber sie alle saßen ebenso still wie die Räuber in der Bank.

    Norlander betrachtete ihre Gesichter. Wie klein sie wirkten, umrahmt von den Helmen. Wie Babygesichter. Und alle waren höchstens halb so alt wie er.
    Viggo Norlander hätte ihr Vater sein können. Wenn seine erste Ehefrau Kinder bekommen hätte, könnte sein Sohn eines dieser Alphamännchen sein.
    Er war dankbar für seine beiden Mädchenengel.
    Das hier war die Situation, von der diese Männer träumten. Hierfür waren sie gedrillt. Der Rest war tote Zeit.
    Einer von ihnen klappte das Visier herunter, um es auszuprobieren. Sein Gesicht verschwand in einem kompakten Schwarz. Norlander beobachtete die Prozedur aufmerksam und machte es ihm nach einer halben Minute

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