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Totenmesse

Titel: Totenmesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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sein. Das Nachspiel. Es war wie nach einem Beischlaf. Er hätte gern geraucht.
    Eine kleine dunkle Frau trat zu ihm. Er erkannte sie. Sie war eine Legende.
    Sie blieb vor ihm stehen und nickte kurz. »Renberg?«
    Â»Nicke«, sagte Renberg und streckte die Hand aus.
    Sie ergriff sie und schüttelte sie kurz. »Ich heiße Kerstin Holm«, sagte sie.
    Â»Ich weiß«, sagte Nicke Renberg und hoffte, dass der Tonfall das Ausmaß seines Respekts erkennen ließ.
    Sie stand einen Moment da und nickte. Sie schien noch mehr sagen zu wollen. Schließlich sagte sie: »Wo sind die Bankräuber?«
    Â»In Gewahrsam genommen«, sagte Renberg stolz.
    Sie nickte wieder. Dann sagte sie: »Aber ich meine: Wo sind sie?«
    Â»In sicherem Gewahrsam«, sagte Nicke Renberg.
    Wieder nickte sie. Eine kleine Falte zeigte sich zwischen ihren schönen dunklen Augen.
    Â»Ich habe keine Ahnung«, sagte er.

22
    Mittwoch, den 20. Mai 1942,
    Viertel nach zehn abends
    Das Gedächtnis ist kurz. Wer erinnert sich noch an den Winter, den grauenhaften Winter?
    Der Siegesrausch ist wieder über uns gekommen.
    Es ist Frühling. Die Knospen sprießen, das Grün kehrt wieder. Es ist bizarr zu sehen, wie das Leben sich zurückkämpft, wo um uns her nichts ist als Tod. Es gibt fast allen Hoffnung ein, erweckt neuen Kampfeswillen. Für mich ist es der erschreckende Beweis dafür, dass wir uns endgültig von der Natur losgesagt haben. Das, was wir Kultur nennen, ist zur Unnatur geworden.
    Der Winter in Poltawa wurde nicht besonders lang. Schon im Januar trennte sich die 6. Armee vom Hauptquartier der Heeresgruppe Süd und verlegte den Stab und Truppen nach Charkow. Das Erste, womit unser neuer Befehlshaber, Generaloberst Friedrich Paulus, sich auseinandersetzen musste, war eine sowjetische Gegenoffensive, ein spontaner Angriff als Folge der erfolgreichen Verteidigung Moskaus durch die Rote Armee.
    Wir kamen nie nach Moskau.
    Es ist etwas Besonderes, rollende Züge an den Schienen festfrieren zu sehen.
    An den wärmsten Tagen während der Truppenverlegungen nach Charkow war es dreißig Grad unter null. Und die Großoffensive war furchtbar. Sobald wir in Charkow angekommen waren, versuchte Timoschenko, Charkow einzukesseln und zurückzuerobern. Es gelang nur im Süden. Die 6. Armee hielt durch, aber südlich von Charkowerfolgte ein Einbruch in der Front, der Frontbogen von Isjum.
    Er ist jetzt nicht mehr da.
    Deshalb ist die Siegesgewissheit zurückgekehrt.
    Der Führer vergaß die Schrecken des Winters schnell. Am 5. April erging der Befehl, einen ›endgüligen Sieg im Osten‹ zu erreichen. Der Hauptangriff der Operation Barbarossa, Operation Siegfried, wurde in die Operation Blau umgewandelt, die mit der Operation Fridericius eingeleitet werden sollte. Wir haben im Moment ziemlich viele Operationen.
    Die Operation Fridericius hatte zum Ziel, den Frontbogen von Isjum zu beseitigen. Sie war für den 18. Mai geplant. Stattdessen erfolgte am 12. Mai die Offensive der Roten Armee. Die Umzingelung von Charkow sollte vollendet werden.
    Die Panzer durchbrachen am selben Tag die Front, und schon am Abend standen die Russen zwanzig Kilometer vor Charkow. Wir hatten sie vor der Haustür. Es fragte sich nur, ob sie es bis ans Ziel schaffen würden.
    Die Angriffe kamen an vielen Flanken gleichzeitig. Zweiundsiebzig Stunden lang dauerten die intensiven Kämpfe. Widerwärtige Kämpfe im strömenden Regen. Blut und Schlamm. Schlamm und Blut.
    Vielleicht habe ich getötet. Ich weiß es nicht. Mein Zug lag südlich von Charkow, bei Voltjansk, auf der einen Seite des Marktplatzes in einem kleinen Dorf. Auf der anderen Seite lagen die Russen. Wir beschossen uns. Näher war ich einem Nahkampf nie gekommen. Noch ein Stück näher, und man hätte sich Auge in Auge gegenübergestanden.
    Generalfeldmarschall von Bock, Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Süd, war mit Paulus’ Verteidigung nicht zufrieden. Er befürwortete einen kühnen Gegenangriff. Von Kleists Panzerdivision sollte diesen Angriff durchführen – sie, auf deren Konto die erste deutsche Rückwärtsbewegungwährend des ganzen Krieges ging. Doch diesmal lief es besser. Sie griffen den Einbruch bei Isjum vor dem Morgengrauen am 17. Mai an. Sie drangen rasch ein. Wir folgten nach, große Teile der 6. Armee. Gestern, am 19. Mai, brach Timoschenko die Offensive ab. Aber

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