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Totenmesse

Titel: Totenmesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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Mitte ragt ein mächtiger Turm oder Stachel auf, als wollte er den Mittelpunkt des Universums markieren. Es ist der gewaltige Wolkenkratzer von Dagens Nyheter in Marieberg.
    In seinem Schatten liegt die russische Botschaft. Während des Kalten Krieges hatte die freie Presse direkt hinuntergeblickt auf die Creme der sowjetischen Spionageelite. Einige sahen darin eine Ironie. Andere fanden es einfach logisch.
    So war es nicht mehr. Die russische Botschaft war, wie in den meisten anderen Ländern der Welt, neutralisiert worden. Sie hatte nichts Besonderes mehr an sich.
    Aber natürlich gab es weiterhin Spione.
    Schon in der Sowjetzeit waren die Kulturattachés die weltgewandtesten unter den raubeinigen Bolschewiken. Sie waren auch die Spionagechefs.
    Der Mann am Schreibtisch vor Arto Söderstedt und Viggo Norlander hieß Pavel Ljubimow und stand dem Mann mit dem erstaunlichen Titel Außerordentlicher und Bevollmächtigter Botschafter der Russischen Föderation im Königreich Schweden nahe. Der Kulturattaché strich sich über sein welliges blondes Haar, das in besorgniserregender Weise an Waldemar Mörners Toupet erinnerte, und beugte sich über den Schreibtisch. »DNA?«, sagte er in einem russisch gefärbten Englisch. »Sie scherzen, meine Herren.«
    Â»Wir müssen auf jeden Fall fragen«, sagte Söderstedt in einem finnlandschwedisch gefärbten Englisch. »Vielleicht eine inoffizielle Untersuchung?«
    Â»Was meinen Sie damit?«, sagte Pavel Ljubimow und fixierte den hellhäutigen Mann, der zwei kleine Plastikbeutelauf seinen Schreibtisch legte und sagte: »Wenn wir in einigen Minuten Ihr Botschaftsgebäude verlassen, werden diese beiden Beutel zurückbleiben. Natürlich machen Sie damit, was Sie wollen. Aber wir wären für jede Hilfe sehr dankbar. Es handelt sich immerhin um russische Staatsangehörige, die in Schweden gravierende Verbrechen begehen. Durch Ihre international tätigen Verbrecher beginnt das Ansehen Ihres Landes Schaden zu nehmen. Es wäre an der Zeit, im Kampf um Ihren guten Ruf als Nation ein wenig Handlungskraft an den Tag zu legen.«
    Ljubimow hob eine Augenbraue. Die Beutel schienen leer zu sein.
    Â»Fibern«, erklärte Viggo Norlander.
    Â»Hmmm«, sagte Ljubimow.
    Arto Söderstedt reichte ihm das Foto eines breiten, groben männlichen Gesichts mit slawischen Zügen hinüber. Ljubimow nahm es und nickte eine Weile mit immer pfiffigerer Miene. Söderstedt hatte darauf gehofft. Es gibt keine bessere Art und Weise, eine Zusammenarbeit einzuleiten, als den anderen sich intelligent fühlen zu lassen.
    Â»Ich verstehe«, sagte der Außerordentliche und Bevollmächtigte Kulturattaché. »Die Zeitungen zeigen zwei Gesichter. Sie haben zwei Beutel, zeigen aber nur ein Gesicht.«
    Â»Was worauf schließen lässt?«, fragte Söderstedt pädagogisch.
    Â»Dass wir beide mit etwas hinter dem Berg halten«, sagte Ljubimow, legte das Foto hin und lehnte sich in dem üppigen Schreibtischstuhl von anno 1743 zurück. Circa.
    Â»Wollen wir damit aufhören?«, fragte Söderstedt.
    Â»Das finde ich nicht«, entgegnete Ljubimow launig. »Es macht richtig Spaß.«
    Â»Erinnert an alte Zeiten?«
    Â»Ungefähr. Darf ich auch das andere Foto sehen?«
    Söderstedt reichte ihm das retuschierte Bild des Mannes mit dem Muttermal, das wie Jütland aussah.
    Ljubimow zeigte fragend auf das Haar des Mannes.
    Â»Vielleicht trägt er ein Toupet«, schlug Söderstedt vor.
    Pavel Ljubimow betrachtete ihn streng. Dann gab er ein dröhnendes Lachen von sich und strich sich über sein welliges Haar. »Wir lassen von uns hören«, sagte der Kulturattaché und stand auf.

    Merkwürdig war, dass die Hitze nicht abnahm. Als Kerstin Holm sich das Zusammenspiel des verschlagenen Söderstedt mit dem verschlagenen Ljubimow vorstellte, gab es kein Anzeichen für ein Absacken der Energie. Ihr erhitzter Geist wanderte weiter auf der Jagd nach Abkühlung.

    Geirs Steingesicht war von tiefstem Abscheu gekennzeichnet. Dafür war Haavards Direktorengesicht völlig ausdruckslos. Beide beobachteten die nicht endende Arbeit der Kriminaltechniker an Boden und Wänden, und zumindest eines war ihnen gemeinsam: ihr Seufzen.
    Sara Svenhagen gelang es, die Tatsache zu ignorieren, dass ihr Vater einer der am Boden kriechenden Techniker war, und warf einen Blick zu Lena

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