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Totenmesse

Titel: Totenmesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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dem Gips hielt eine Pistole in der linken Hand. Die beiden anderen hatten Schusswaffen in Schulterholstern über den stramm sitzenden weißen Hemden. Ein Stück bis dahin.
    Noch lebst du, dachte er und konzentrierte sich auf den Großen, der auf den Stuhl gebunden war. Danke.
    Die Erinnerung war glasklar, als er von dem Spalt zurücktrat. Wie eine Karte im Inneren seines Kopfes.
    Er prüfte das Glas. Verdunkelungsvorhänge könnten Panzerglas bedeuten. Aber nein: normales Doppelglas. Das musste es sein.
    Der Spalt zwischen den Vorhängen befand sich genau hinter der Altantür. Er betrachtete das Schloss. Es war sinnlos. Alles musste hier geschehen, wo er gerade stand. Genau hier entschied sich alles. Wie schnell würde er die Vorhänge zur Seite schlagen können? Davon hing alles ab. Schnelle Berechnung.
    Die Pistole zurück ins Holster. Die Maschinenpistole klargemacht.
    Er schloss die Augen. Die Herzfrequenz nahm ab. Warten, bis sie unter den Ruhepuls gesunken war. Ein gutes Stück darunter.
    â€ºUrrah!‹, dachte er.
    In einer einzigen ununterbrochenen Bewegung zerschlug er das Fenster, riss den Vorhang zur Seite und erschoss den Mann mit dem Gips. Er drehte die Maschinenpistole zur Seite und erschoss den zweiten Mann. Der Mann mit dem Muttermal zog die Pistole, konnte sie aber nicht mehr in Anschlag bringen.
    Der Lauf schwenkte eine Weile in dem schwach erleuchteten Raum hin und her. Aber es kam niemand mehr.
    Er schlug die Fensterscheibe richtig aus und öffnete die Altantür von innen. Er trat zu den drei Gefallenen. Sie waren gründlich gefallen.
    Dann trat er zu dem kleinen Festgebundenen und schlossihmmit einer Geste, die als Zärtlichkeit hätte gedeutet werden können, die Augen.
    Jetzt wandte er sich dem großen Mann zu. Aus zahllosen Wunden in seinem Gesicht und am Oberkörper floss Blut. Er schluchzte laut.
    Er ging vor dem Großen in die Hocke und legte die Hand auf seinen festgebundenen Arm. Schließlich öffnete der Große seine grauen Augen und richtete sie auf ihn. Er war nicht sicher, ob noch Lider da waren.
    Trost?, dachte der Mann mit der Uhr. Wer bin ich, dass ich Trost schenken könnte?
    Â»Denk an deine Brüder, Vladimir«, sagte er und begann die Knoten zu lösen. Aber die Person, die er befreite, war eine blonde Frau mit einem Tragegurt vor dem Bauch, die dastand und auf eine ganz und gar hellblaue Meeresbucht hinausblickte.
    Es fühlte sich an, als wäre Sommer. Eine Sonnenblume keimte.

31
    Kerstin Holm saß im Bett und war scharf.
    Wie viele Jahre es gedauert hatte, einen solchen Gedanken auch nur zuzulassen. Und noch mehr Jahre, es zu akzeptieren. Und noch mehr, es natürlich zu finden. Und noch mehr, es wirklich gut zu finden.
    Dass es für das Problem dann keine hundertprozentig zufriedenstellende Lösung gab, war von untergeordneter Bedeutung.
    Neben ihr lag wie üblich ihr neunjähriger Sohn Anders. Er füllte viele Leerstellen in ihrem Leben. Doch nicht alle.
    Sie trieb ihren inneren Mut noch ein paar Schritte weiter und atmete tief durch, um sich zu entspannen.
    Es gab eine Methode, sich abzukühlen, nämlich zu dem dicken Papierstapel auf dem Nachttisch zu greifen und ihn durchzublättern. Es war wie eine kalte Abreibung.
    Die abendlichen Berichte über die im Tagesverlauf an verschiedenen Stellen in der Stadt geführten Gespräche. Eine Formelsprache, eine deutliche Berichtsnorm, und dennoch all diese Stile und Eigenarten. Arto Söderstedts glasklarer und ironischer Stil, Jorge Chavez’ energischer, etwas geschwätziger, Sara Svenhagens souveräner. Und dann plötzlich Paul Hjelms durchreflektierte Selbstverständlichkeit.
    Sie war nie seine Vorgesetzte gewesen und hatte seine Berichte eigentlich nie gelesen. Es war eine neue Erfahrung. Seine Worte passten genau zu ihm. Sie liefen irgendwie immer auf ein ›Vielleicht‹ hinaus.
    Und ihre Hitze wollte nicht richtig weichen.
    Sie blickte auf die Wortgebilde und musste sie verwandeln, musste ihnen Leben einhauchen.
    Ihren immer noch heißen Atem.
    Stockholm ist eine Mischwelt aus Inseln, Halbinseln und Festland. Selten denkt man darüber nach, auf welche Art Boden man gerade seinen Fuß setzt. Die Stadt ist im Laufe der Jahre zu einem homogenen Ganzen zusammengewachsen, und es ist ein Normalzustand geworden, dass man sich mehrmals täglich auf einer Brücke befindet.
    Kungsholmen ist eine Insel. In ihrer

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