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Totenmond

Totenmond

Titel: Totenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Koch
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Spaßanrufe unter 110.
    Aber das hier war anders. Es offenbarte Täterwissen.
    Alex starrte auf den Zettel, stand auf und ging mit dem Kaffee zum Fenster, von wo aus sie über die winterliche Stadt blicken konnte. Irgendjemand da draußen wollte mit ihr Kontakt aufnehmen. Schickte ihr einen Beweis. Außerdem war der Brief nicht gestempelt. Der Absender wusste also, wo sie wohnte. Und die Schrift sagte ihr etwas.
    Verdammt, dachte Alex, der Umschlag in ihrer Tasche.
    Sie stellte den Kaffee ab und hastete auf den Flur, wo sie an der Garderobe die Hände in den Taschen der dort aufgehängten Lederjacke vergrub, den aufgerissenen Umschlag ertastete und den Brief herauszog. Er war ihr vor einigen Tagen postalisch im Büro zugestellt worden. Sie hatte ihn aus dem Eingangskorb genommen und in die Jackentasche gesteckt, um ihn später abzuheften – und das schlichtweg vergessen, weil sie zwischendurch den wärmeren Daunenblouson getragen hatte.
    Jetzt musterte sie den Umschlag und zog das Schreiben heraus. Mit einem Mal gehörte der Brief nicht mehr zur üblichen »Idiotenpost«.
    Alex hielt die beiden Blätter nebeneinander, um sie zu vergleichen. Die Schriften waren identisch und das Papier ähnlich. Alex betrachtete den Stempel auf der Frontseite des Umschlags, den sie vor etwas mehr als einer Woche erhalten hatte. Ja, das Datum passte. Dann fiel ihr etwas ein. Mit großen Ausfallschritten hastete sie Richtung Schreibtisch, riss einen säuberlich beschrifteten Aktenordner aus dem Ikea-Regal, schlug ihn auf und blätterte durch die Klarsichtfolien, in denen sie die Zuschriften der Möchtegern-Psychopathen aufbewahrte. Alex hatte den Ordner übers Wochenende aus dem Büro mitgenommen, um Helen einmal ihre zahlreichen fragwürdigen »Fanbriefe« zu zeigen. Schließlich wurde sie fündig und fingerte einen weiteren Umschlag heraus. Papier und Schrifttyp schienen ebenfalls zu passen.
    »O Gott«, murmelte Alex und fröstelte. Das Zimmer schien um sie herum in Bewegung zu geraten. Ihre Beine wurden schwach, und sie musste sich erneut setzen.
    Ja, dachte sie. Sie sollte es wirklich ernst nehmen.

23.
    D ie Plätze an den Tischen im Lage- und Besprechungsraum waren mit Kollegen aus der Behörde und mit einer Reihe von Polizisten besetzt, die Alex nicht kannte. Wahrscheinlich LKA-Leute oder aus einem Ermittlerpool. Veronikas Crew.
    Gemurmel füllte den Raum aus. Es roch nach Mensch und Kaffee. Alex setzte sich neben Schneider, der den ganzen Morgen über unauffindbar gewesen war und gerade mit einem Kollegen sprach. Sie legte ihre Mappen auf die im Tisch fest installierten Laptopanschlüsse und griff nach den Handzetteln, die an den Plätzen lagen. Sie enthielten Kopien der Tatortuntersuchung, Fotos von Antje an Huef sowie eine schriftliche Zusammenfassung des Nele-Bender-Falls.
    Alex flüsterte Schneider aufgeregt zu: »Ich muss dir unbedingt etwas erzählen, ich …«
    »Hat das nicht bis nachher Zeit?«
    »Rolf, ich habe neue und sehr wichtige Erkenntnisse, und …«
    Wieder schnitt er ihr das Wort ab. »Dann erzähl sie doch am besten gleich allen.«
    Alex presste die Lippen zusammen, als Schneider sich wieder dem anderen Sitznachbarn zuwandte, um von ihm eine Fotokopie entgegenzunehmen. Es war ein Rezept für selbstgemachten Glühwein. Manchmal, dachte Alex, könnte sie Rolf wirklich eine kleben.
    Alex direkt gegenüber saßen Kowarsch und Reineking. Mario trug einen leuchtend roten Rollkragenpulli, der ihm überhaupt nicht stand und ihn wegen seines Bodybuilderkörpers so aussehen ließ, als habe er keinen Hals. Die Ärmel waren aufgekrempelt. Mario gehörte zu der Sorte Mensch, die eine Heizung eingebaut haben mussten und niemals froren. Sein schmaler Bart war kunstvoll rasiert, und er wirkte damit auf den ersten Blick wie ein Proll, der sich einen Latino-Look geben wollte. Alex fiel auf, dass er heute ausnahmsweise keine dunklen Ringe unter den Augen hatte – ein Markenzeichen, seit er Vater einer süßen Tochter geworden war.
    Während Mario Alex zuzwinkerte, schaute Reineking drein, als warte er auf seine Hinrichtung. Wahrscheinlich ahnte er, was gleich auf ihn zukam. Seine Geheimratsecken glänzten, und die Nasenflügel in seinem spitzen Gesicht blähten sich. Er tuschelte mit zwei Kollegen und hielt die zusammengehefteten Waschzettel in der Hand. Hinter Reineking waren an einer Magnetwand einige Blanko-Formulare befestigt, die die üblichen Parameter für die Ermittlungslogistik aufwiesen: Versammlungsort,

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