Totenmond
eine ernste Absicht dahinter zu erkennen, es gab keinerlei Bezüge – bis heute. Heute Morgen fand ich im Briefkasten diese Mitteilung.«
Alex reichte Schneider, der sie fassungslos ansah, eine Fotokopie des Schreibens und bat ihn, es weiterzugeben.
»Der Schrifttyp hatte mich an etwas erinnert – ein anonymes ausgedrucktes Schreiben, das ich vor etwa zehn Tagen erhalten habe. Papier, Briefumschläge und Inhalt habe ich einem weiteren Brief zuordnen können, der aus dem frühen Herbst stammte. Alles ist auf den ersten Blick identisch mit dem Brief aus der Nele-Bender-Akte. Ich gehe davon aus, dass alle Texte vom Täter stammen.«
Alex reichte weitere Fotokopien herum. Langsam wurde sie warm, und mit einem Kontrollblick zu Veronika sah sie, dass ihr Vortrag die richtigen Saiten zum Klingen brachte.
Sie hörte Schneider murmeln: »Brustwarzen … Der perverse Kerl. Und die anderen Ausdrucke, ja, der gleiche Schrifttyp. Sieht aus wie Arial, aber – ich meine, das in den anderen Briefen sind ja Liedtexte?«
»Ja«, erklärte Alex. »Liedtexte. Nach dem Stempel des jüngeren zu urteilen, ist er zwei Tage vor dem Mord an Antje an Huef aufgegeben worden. Der älteste stammt vom vorletzten Sommer – er wurde zwei Tage vor dem Mord an Nele Bender versendet. Einen weiteren habe ich an mich adressiert Ende September erhalten. Und hier kommen wir zu einem Problem – es gibt zu dem Brief vom September keinen passenden Mord.«
»Du meinst, es müsste einen weiteren Mord geben?«, fragte Mario, der fassungslos die Kopien betrachtete.
»Ich glaube, dass der Täter uns die Morde angekündigt hat. Wenn es stimmt, haben wir eine dritte Leiche, die bisher noch nicht gefunden worden ist.« Alex atmete tief durch und fuhr fort: »Dazu kommt noch etwas. Die Texte waren zunächst nicht mit den Morden in Verbindung zu bringen – bis ich heute darauf hingewiesen worden bin, dass wir es endlich ernst nehmen sollen. Die Liedtexte kamen alle postalisch. Diesen Hinweis hat er mir direkt in den Briefkasten geworfen.«
Veronika fragte: »In Ihren Briefkasten? Diesen Zettel?« Sie hielt eine der Kopien hoch, die Alex hatte herumgehen lassen.
»Ja. Ich halte ihn für authentisch. Es klingt Täterwissen an. Dass er die Brustwarzen der Opfer mitnimmt. Was die Liedtexte im Einzelnen zu sagen haben, weiß ich noch nicht. Der jüngste trägt den Titel Bad Moon Rising, ein Lied der Band Creedence Clearwater Revival.«
»Kenne ich«, nickte Mario.
»Der zum Nele-Bender-Mord passende Song ist Moonlight Shadow von Mike Oldfield, und der vom Herbst ist Moon over Bourbon Street von Sting. Auffällig ist, dass jedes Mal vom Mond die Rede ist. Es würde mich nicht wundern, wenn sich in den Texten oder Liedern versteckte Botschaften finden würden, die im Zusammenhang mit den Tatorten oder Opfern stehen.«
»Er möchte wissen«, ergänzte Veronika, »ob wir klüger sind als er.«
Alex nickte. »Und er verhöhnt uns, weil wir es bislang nicht sind. Der Mond scheint für ihn eine besondere Rolle zu spielen. Außerdem kennt er sich mit Musik aus. Ich nehme an, dass die Songtexte nicht nur Hinweise geben könnten, sondern auch Relevanz für den Täter haben und etwas über ihn aussagen. Sie sind ihm wichtig. Weiter will er, dass wir endlich mitspielen. Deswegen hat er seine vierte Botschaft geschickt. Und dieses Mal hat er nicht den Postweg gewählt – er hat mir sein Bekennerschreiben in den Briefkasten geworfen. Was bedeutet, dass er weiß, wo ich wohne. Das ist zwar nicht schwer herauszufinden – aber der Gedanke daran, dass der Mörder von Antje an Huef, Nele Bender und einer Dritten vor meiner Wohnung stand, erfüllt mich nicht gerade mit Freude.«
»Shit«, zischte Schneider und machte ein besorgtes Gesicht.
Veronika legte den Zeigefinger nachdenklich an das Kinn. »Das bedeutet auf absehbare Zeit einen Streifenwagen vor Ihrer Haustür. Wir sollten auch eine Überwachungskamera anbringen.«
Alex nickte. »Außerdem glaube ich, dass wir mit ihm in Kontakt treten sollten. Es ist ein spektakulärer Mordfall, und wir müssen ohnehin damit an die Medien gehen, denn der Leichenfund wird sich herumsprechen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die drei Zeugen von dieser Band auf Dauer den Mund halten werden. Außerdem giert der Täter nach Beachtung. Er hat mir eine Ermahnung in den Briefkasten geworfen, weil er wahrgenommen werden will.«
»Okay«, sagte Veronika. »Wir denken drüber nach, wie wir das lancieren. Am besten geben wir
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