Totenmond
eine Pressekonferenz. Da Sie persönlich betroffen sind, Alex …« Veronika machte eine Pause und warf Alex einen Blick zu, den sie nicht zu deuten wusste. »Schauen Sie sich die Texte genauer an. Was sie zu sagen haben, ob es Querverbindungen gibt, was der Täter uns damit über sich und die Opfer oder seine Taten vermitteln will. Und natürlich müssen die Originalschreiben zur KTU zur Untersuchung von Papier und Tinte und zum Erkennungsdienst wegen der Fingerabdrücke. Alle anderen machen sich entweder in Sachen Antje an Huef kundig oder schauen sich nach potenziellen Orten um, an denen sich ein bislang unbekanntes Opfer befinden könnte, und helfen denen auf die Sprünge, die über keine Ortskenntnis verfügen – alte Fabriken, Gewerbebrachen, heruntergekommene Lagerhallen. Falls es in den Liedtexten einen Schlüssel dazu gibt, wird Alex euch das wissen lassen. Ach, und Alex?«
»Hm?«
»Schicken Sie Kopien der Schreiben bitte zusammen mit einem Bericht auch nach Düsseldorf ans LKA, damit die OFA da mal einen Blick draufwirft.«
Alex funkelte Veronika an und sagte: »Natürlich.«
»Und allen, die morgen keinen Bereitschaftsdienst haben, wünsche ich schon mal frohe Weihnachten.«
Veronika nickte in die Runde. Alex nickte nicht zurück. Stattdessen ging sie in ihr Büro und ließ sich bockig in den Sessel fallen. Sie saugte an ihrer Unterlippe. Dann stand sie auf, ging um den Schreibtisch herum und wollte gerade zum Telefonhörer greifen, um beim LKA in Düsseldorf anzurufen, als ihr Handy sich meldete. Die Nummer im Display sagte ihr nichts. Trotzdem ging sie ran.
»Hi«, meldete sich eine tiefe Stimme. »Hier ist Jan.«
Eine heiße Woge schwappte durch Alex. »Oh, hi«, stammelte sie.
»Ja, also, ich dachte mir, dass wir vielleicht …«
»Wird das eine Einladung zu einem Rendezvous?« Alex verkniff sich ein Grinsen.
»Daran hatte ich gedacht, ja.«
Alex’ Gedanken rasten. Keine Patzer, dachte sie und erinnerte sich an ihr Gespräch mit Helen über Männer in der Kinderspielewelt. Und hier kam schon der Präzedenzfall. Sie steckte mitten in einem komplexen Mordfall, hatte jede Menge zu tun und diesen Düsseldorfern zu zeigen, wo der Hammer hing – und wurde zu einem Date gebeten. Allerdings wollte sie gerade Jan nicht vor den Kopf stoßen.
Alex zögerte. »Ehrlich gesagt, passt es mir im Moment nicht so gut.«
»Viel Arbeit?«
»Viel Arbeit.«
»Aber abends doch nicht.«
Gerade abends. »Versteh das bitte nicht falsch. Im Moment steht mir die Arbeit wirklich bis zum Hals, und das ist keine Ausrede. Vielleicht finden wir demnächst mal einen Termin.«
»Zum Beispiel heute?«
»Gerade heute wäre nicht so gut.«
»Hey«, sagte Jan. »Ich lasse nicht locker. Wir könnten uns zum Essen abends in der Stadt treffen. Ich hole dich gerne ab.«
»Ich weiß nicht.«
»Gerade, wenn man viel um die Ohren hat, sollte man mal kurz auschecken, finde ich. Macht den Kopf wieder klar.«
Das hätte auch von Rolf kommen können, dachte Alex.
»Zwei Stunden«, sagte Jan. »Länger dauert ein Essen nicht. Und essen musst du doch sowieso, oder?«
Alex lachte leise. »Du lässt wirklich nicht locker, oder?«
»In diesem Fall nicht, nein.«
»Ich könnte das als aufdringlich bewerten.«
»Das Risiko gehe ich ein.«
Alex überlegte einen Moment. Dann sagte sie: »Okay. Essen, Zwei Stunden. Falls noch etwas dazwischenkommt, habe ich ja jetzt deine Nummer. So gegen halb acht?«
»Perfekt.«
»Ich komme aber nur, wenn du mich nicht vom Silbertablett in den Schlamm fallen lässt.«
Jan lachte. »Ich denke darüber nach.«
»Zwei Stunden.«
»Zwei Stunden. Wie wäre es mit italienisch? Es gibt da ein ganz nettes neues Restaurant, Machiavelli. «
» Machiavelli? Kenne ich gar nicht. Ja, warum nicht?«
Jan nannte ihr die Adresse. Dann verabschiedeten sie sich.
Tja, jetzt war sie doch auf die Verabredung eingegangen, und Alex fiel ein, dass sie um den Besuch bei ihren Eltern in Düsseldorf nicht herumkommen würde, obwohl es ihr überhaupt nicht in den Kram passte. Mit leeren Händen könnte sie nicht dastehen. Wann zum Teufel sollte sie die Geschenke besorgen? Vielleicht morgen Vormittag. An Heiligabend hatten die Geschäfte ja noch bis mittags geöffnet. Verdammtes Privatleben, dachte Alex.
Sie breitete die Songtexte vor sich aus und überflog die Zeilen. In Bad Moon Rising ging es um eine generelle Gefahr, die über den Dingen schwebte, schwere Unwetter, weswegen man besser im Haus bleiben
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