Totenmond
Bekanntschaft gegeben haben muss – eventuell mit dem Mörder. Mit dem Kerl hat sie sich getroffen, ein Schäferstündchen gehalten. Abends fuhr sie ins Drive-in, aß etwas – danach ist sie verschwunden.«
»Also ein Beziehungstäter?«, fragte Reineking. »Glaubst du das?«
Schneider zuckte mit den Schultern.
»Nie und nimmer im klassischen Sinn«, sagte Alex. »Wenn, dann sucht der Täter nur deswegen Beziehungen zu den Opfern, um sie leichter überwältigen zu können und eine Weile die Überlegenheit zu genießen – dass er weiß, was er mit ihnen anstellen wird, und sie ahnungslos sind. Es kann aber durchaus sein, dass er die Opfer im Internet kennenlernt und sich dann ihr Vertrauen erschleicht.« Sie sortierte die vor ihr liegenden Papiere. »Doch das mit den zwei unterschiedliche Spuren ist dennoch bemerkenswert.«
»Checkt das Burger King«, sagte Reineking und massierte sich das Kinn, »und geht mit Bildern von Antje und Nele erneut Klinkenputzen. Irgendjemand muss sie ja mal in Begleitung gesehen haben.«
»Wir sollten außerdem noch mal mit Antjes Mutter reden«, warf Alex ein. »Und wir sollten erneut beim Luisenhof vorbeischauen, wo Nele damals gelebt hat – möglicherweise gab es Verbindungen zwischen den Opfern, von denen wir noch nichts wissen.«
»Wir brauchen doch bloß deren beider Internetbekanntschaften vergleichen und Übereinstimmungen suchen«, sagte Mario.
»Das auch«, nickte Alex. »Aber ich glaube nicht, dass es so einfach ist – ich kann mir nicht vorstellen, dass der Täter offen mit seiner Identität umgeht.«
Reineking ging nicht weiter darauf ein. »Bei allem vergessen wir nicht, dass wir allem Anschein nach noch eine dritte Leiche suchen.« Er warf Alex einen Blick zu. »Was meinst du – wird Dr. Ruppel etwas zur Bourbon Street und dem dritten Mordopfer einfallen?«
Martin hatte das Stichwort zunächst nichts gesagt. Aber er hatte versprochen, sich darum zu kümmern.
Sie antwortete: »Ich hoffe es.«
»Gut.« Reineking nahm einige Fotokopien zur Hand. »Das Labor hat übrigens die Briefe mit den Liedtexten untersucht, Alex. Verwendet wurde handelsübliches Druckerpapier. Ebenfalls ein stinknormaler Drucker und Tinte und gewöhnliche Briefumschläge. Keine Fingerabdrücke. Auch kein Speichel an den Klebeleisten: Er hat sie mit Wasser betupft.«
Alex knetete ihre Hände. »Hattet ihr in der Nele-Bender-Ermittlung einen Speicheltest in Erwägung gezogen? Einen Massentest?«
»Vergiss es«, winkte Mario ab. »Der Landkreis Lemfeld hat rund vierhundertfünfzigtausend Einwohner, und es wären grundsätzlich an die zehntausend Personen für einen Test in Betracht gekommen. Weiter war unklar, ob der Typ überhaupt hier lebt.«
»Hatten wir auch nicht im Budget«, fügte Reineking hinzu und stierte vor sich hin. »Aber über Budgets muss sich ja künftig ohnehin jemand anderes Gedanken machen.« Dann sah er Alex wieder an. »Was ist mit diesen Schriftzeichen?«
Alex wollte gerade erklären, dass sie noch auf eine Information darüber wartete, als sich mit einem Ruck die Tür öffnete.
Veronika Martens trat ein. Sie trug eine Jeans mit schwarzem Rollkragenpulli und hielt eine Zeitung in der Hand. »Oh!« Sie lächelte betont freundlich. »Konspirative Versammlung ohne mich?«
»Dann wäre sie ja nicht mehr konspirativ«, antwortete Reineking. Veronikas Mundwinkel zuckten keinen Deut. »Nur eine kleine Dienstbesprechung«, erklärte Reineking.
»Schön«, entgegnete Veronika knapp. Alex sah ihre Blicke über die mit Stecknadeln bespickte Landkarte wandern, über Kowarsch zu Schneider springen und schließlich bei Alex stoppen. »Ich will auch nicht lange stören, aber …« Veronika klopfte auf die Tageszeitung und ließ Alex nicht aus den Augen. »Ich habe den Staatsanwalt überzeugt, dass wir deinen Vorschlag aufgreifen, Alex. Wir kommen ohnehin nicht um eine Pressekonferenz herum und lassen uns überraschen, ob wir Hinweise erhalten oder der Täter darauf reagieren wird.«
»Oh«, sagte Alex überrascht. »Gut, danke.« Wenngleich es so klang, als wolle und würde Veronika die Medien unter Ausschluss von Alex unterrichten.
Veronika nickte. »Und gute Arbeit im Hinblick auf die Liedtexte. Ich habe deine Hinweise dazu gelesen – die Lyrics beschreiben die Schliemannschen Werke und die Kröger-Ziegelei recht genau. Das bringt uns auch im Hinblick auf den noch unklaren dritten Fall ein gutes Stück weiter.« Sie musterte Alex. »Für gute Ideen und schnelle
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