Totenmond
haben wir Schuhabdrücke, die zu Winterstiefeln gehören – wahrscheinlich Markenboots, außerdem Fasern von einer Fleecejacke. Wir haben erneut Haare von Leopardenfell und von männlichem Schamhaar gefunden. Das Schamhaar in Bekleidungsteilen von Antje an Huef. Das verwendete Klebeband ist erneut sogenanntes Panzerband. Also alles wie im ersten Fall, keine Abweichung. Die Autopsie hat ergeben, dass unser Mann wieder Kondome bei der Vergewaltigung benutzt hat. Im Mageninhalt von Antje an Huef wurden außer Rückständen eines Burger-King-Maxi-Menüs Spermaspuren gefunden. Die Kälte hat das Zeug einigermaßen konserviert. Trotzdem haben sie einen Heidenaufstand machen müssen, um noch etwas Verwertbares daraus zu bekommen. Und hier ist etwas komisch: Wir gehen einerseits davon aus, dass der Täter Kondome benutzt. Dennoch finden wir Sperma. Und das DNA-Material darin stimmt zwar mit dem vom Nele-Bender-Fall überein, das Schamhaar stammt jedoch von einem anderen Mann, mit dem Antje an Huef Verkehr gehabt haben könnte.«
Mario stellte seinen Stecknadelkasten auf den Besprechungstisch und runzelte die Stirn. »Also, Moment: Der Täter nutzt Kondome. Und dann ist da noch ein zweiter Mann im Spiel, der mit Antje ungeschützten Verkehr hatte. Ebenfalls mit Nele Bender. Willst du das sagen?«
Schneider nickte.
»So sieht es wohl aus«, murmelte Reineking nachdenklich. »Vielleicht spielt ein zweiter Mann eine Rolle.«
»Scheiße«, sagte Mario. »Oder sind da zwei Typen als Team am Werk? Also, im Ernst: Der Täter nutzt doch nicht erst ein Kondom und reißt sich das dann runter.«
»Und wie erklärst du dann die identischen Spermaspuren?«, fragte Alex leise. »Möglicherweise hat der Täter tatsächlich während der Vergewaltigungen beschlossen, das Kondom wegzulassen. Oder Antje hatte doch einen Freund. Einen heimlichen. Denselben wie Nele Bender. Wenngleich das eher unwahrscheinlich klingt.«
Mario schwieg. Alex dachte an Hilde an Huef, das schreckliche Weihnachten, das die arme Frau verlebt haben musste – und daran, dass sie eventuell doch nicht alles über ihre Tochter gewusst oder nicht alles über sie erzählt hatte. Aber es gab ja noch andere hier im Raum, die nicht alles erzählten. Alex schob einige Papiere vor sich herum und überlegte für einen Moment, ob sie nicht doch alles vom gestrigen Abend erzählen sollte. Von der Verfolgung. Sie beschloss, es nicht zu tun, weil Reineking Finja und Jürgen sonst den Kopf abreißen und Alex empfehlen würde, Beruhigungsmittel zu nehmen.
»Jedenfalls«, fuhr Mario fort, »ist das komisch. Wir haben viele Kolleginnen und Freundinnen befragt und nichts über einen Lover gehört. Wobei noch eine Person aussteht, eine Petra Becker.«
»Wer ist das?«, fragte Alex.
Kowarsch erklärte, dass es sich um eine Arbeitskollegin handelte, und nannte die Adresse. Alex machte sich eine Notiz. »Wenn es bislang keinerlei Anhaltspunkte für einen Freund von Antje an Huef gibt«, warf Schneider ein, »war es vielleicht ein One-Night-Stand?«
Kowarsch schüttelte den Kopf. »Glaube ich nicht. Angeblich war sie nicht der Typ dazu und hat so etwas in der Vergangenheit auch nicht praktiziert. Sie war mehr so der romantische Typ. Las diese Vampir-Bücher, Twilight und andere. Lebte ihr Leben für sich und ein wenig zurückgezogen.«
Schneider sagte: »Romantikerin, aber Sperma im Bauch. Wie passt das denn zusammen?«
Kowarsch schien etwas sagen zu wollen, ließ es dann aber doch lieber bleiben.
»Haben wir Erkenntnisse über den PC? Das Handy?«, fragte Reineking.
Wieder schüttelte Kowarsch den Kopf. »Nein, gar nichts. Ein paar Kollegen von Veronikas Crew befassen sich gerade mit der Auswertung. Wir wissen, sie war Mitglied in einem Twilight-Fan-Forum, bei Stayfriends, Facebook, ILove, GetLove – also alles normal für einen Single, der Kontakt sucht, nichts Außergewöhnliches –, und um das alles zu überprüfen, bräuchten wir Antjes Passwörter, wobei sich die Provider bekanntlich anstellen. Ohne richterliche Verfügung läuft da nichts. Aber natürlich kümmern wir uns drum.«
Schneider hustete, räusperte sich und blickte aus dem Fenster. »Ja, aber auch ein Single hat mal Bedürfnisse«, sagte er, »vor allem zur Weihnachtszeit, und, wie es scheint, hat Antje die irgendwo irgendwie mit irgendwem befriedigt. Und sie war im Internet unterwegs – wie Nele Bender. Wir können also annehmen, dass es entweder irgendeinen heimlichen Freund oder eine recht spontane
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