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Totenmond

Totenmond

Titel: Totenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Koch
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willst, Jan Lindberg?« Alex stellte das Champagnerglas ab. Ein Träger ihres Kleides verrutschte. Sie ließ ihn, wo er war. Jans Mundwinkel zuckten. Sie schenkte ihm einen Augenaufschlag.
    »Das weißt du ganz genau«, sagte er.
    »Ja?«
    Jan nickte. Dann griff er nach ihrem Handgelenk und zog Alex mit einem Ruck an sich. Sie ließ es geschehen. Seine Lippen schwebten vor ihren. Seine Finger tanzten über ihre Schultern, streiften auch den anderen Träger herab. Sie tat nichts dagegen.
    »Ich glaube, ich weiß jetzt, welche Art von Party dir vorschwebt«, hauchte sie in Jans Mund. Stoff raschelte. Alex’ Atem ging schneller. Ihre Zungenspitze schnellte nach vorne und berührte Jans Oberlippe.
    Wie ein Blatt in den Wellen, dachte Alex. Nichts weiter als ein Blatt, das sich dem Wind ausliefert …

40.
    D as Feuerwerk hatten sie im Bett liegend erlebt und einige weitere Flaschen Rotwein aus Jans Vorrat aufgebraucht. Bevor Alex schließlich in einen tiefen, traumlosen Schlaf gefallen war, hatte sie gedacht, dass es gar nicht so schlecht war, die Dinge manchmal einfach auf sich zukommen zu lassen, und unbewusst noch lautes Poltern im Treppenhaus von feiernden Heimkehrern vernommen.
    Als sie am Morgen die Augen wieder aufschlug, zeigte der Digitalwecker 10.25 Uhr an. Ein Lächeln huschte über ihre Lippen, als sie Jans strubbeliges Haar auf den Kissen neben sich sah. Mit schweren Beinen stand sie auf, rieb sich durch das Gesicht und atmete die Luft ein, die immer noch nach einer Mischung aus Sex und Duftkerzen roch. Sie tappte über den Flur ins Badezimmer und stellte die Dusche an. Mit den Fingern strich sie über die feine Narbe an ihrer Wange. Jan hatte sie mit Küssen bedeckt. Ebenfalls die Narbe von der Schussverletzung am Oberschenkel. Alex musste grinsen, als sie eine zweite Zahnbürste entdeckte, die Jan wohlweislich vor dem Badezimmerspiegel bereitgelegt haben musste. Der Mistkerl hatte also schon damit gerechnet, dass sie bei ihm übernachten würde.
    Als das heiße Wasser über ihren Körper strömte, musste Alex leise über die Auswahl an Duschgel, Haarspülungen und Shampoos kichern, die Jan augenscheinlich für die tägliche Haarpflege benutzte. Außerdem schien er zwei Rasierer zu verwenden – wahrscheinlich einen für den Bart und den anderen wohl zur Entfernung der Haare einige Etagen tiefer.
    Als sie geduscht und sich die Haare gewaschen hatte, schlüpfte Alex aus der Duschkabine, zog sich Jans Bademantel über, griff nach der Zahnbürste und drückte etwas Paste auf die Borsten, bevor sie sich den pappigen Geschmack aus dem Mund schrubbte. Draußen vor der Badezimmertür hörte sie Geräusche und stellte sich mit unschuldigem Blick, Zahnbürste im Mund und dem offenen Bademantel am Waschbecken in Pose. Dann ging die Tür auf.
    »Hi«, sagte das Mädchen schlaftrunken mit belegter Stimme, musterte Alex aus mit Schminke verschmierten Augen und zupfte an dem »Ramones«-T-Shirt herum, das ihr gerade bis über den Hintern reichte. Ihre zahllosen Armreifen klimperten, als sie die Hand kurz zum Gruß hob und sich dann stöhnend auf die Toilette setzte.
    »Du bist Alex, ne?«
    Alex bekam einen Hustenanfall. Sie hatte einen Hieb Zahnpasta auf Lunge genommen und zog sich blitzschnell den Bademantel zu. Dann nickte sie hektisch mit weit aufgerissenen Augen und gab als Antwort ein Gebrabbel von sich, das sie selbst nicht verstand.
    »Ich bin Mia.« Das Mädchen, das immer noch nicht richtig wach zu sein schien, wackelte mit den Zehenspitzen, die wie ihre Fingernägel schwarz lackiert waren. Ihre dunklen Haare standen in alle Richtungen ab, als habe ihr jemand in der Nacht einen Knaller in die Frisur gesteckt. Unter ihr plätscherte es in der Toilette.
    Alex wollte etwas sagen, aber ihre Luftröhre brannte von der Zahnpasta. Lebte Jan in einer WG, ohne ein Wort davon gesagt zu haben? Aber das Mädchen, das sich als Mia vorgestellt hatte und wie selbstverständlich ins Badezimmer spaziert war, um zu pinkeln, war gerade mal sechzehn oder siebzehn – also viel zu jung. Oder war das seine Schwester, oder …
    »Ich merke schon, er hat nichts erzählt, oder?«, fragte Mia heiser.
    Alex schüttelte den Kopf und sagte »Nein«, worauf ihr etwas Schaum aus dem Mund troff.
    »Typisch.« Mia schenkte Alex ein müdes Lächeln. »Ich glaube übrigens, dass das meine Zahnbürste ist.«
    Während Alex schnell die Zahnpasta in das Waschbecken spuckte und die Zahnbürste ablegte, stand Mia auf, zupfte etwas

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