Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totenmond

Totenmond

Titel: Totenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Koch
Vom Netzwerk:
sie im Rückspiegel vom Licht eines Autos geblendet wurde, das von der Tankstelle aus auf die Bundesstraße abgebogen war und nun dicht hinter ihr fuhr.
    Sie dachte über Jan nach und über Mia und darüber, was Helen gesagt hatte. Am allerwenigsten konnte Jans Tochter nun etwas dafür, dass es sie gab und dass die Umstände waren, wie sie waren. Alex hatte sich ihr gegenüber im ersten Moment bescheuert verhalten, und sie würde sich irgendetwas überlegen, um das wiedergutzumachen. Eine Geste des Vertrauens, denn wenn Alex sich entschloss, die Beziehung mit Mias Vater zu vertiefen, bedeutete das gleichzeitig, dass sie auch eine zu Mia aufbauen würde.
    Alex passierte den Ortseingang. Sie wechselte auf die linke Fahrspur. Der Idiot hinter ihr tat das ebenfalls. Alex zog den Kopf leicht ein, um nicht weiter geblendet zu werden. Sie wechselte wieder auf die rechte Spur. Der Fahrer hinter ihr ebenfalls.
    Alex überlegte, ob sie inzwischen wirklich so weit war, reif genug für eine Beziehung. Wobei das Wort »reif« es nicht traf. Es war vielmehr die Frage, ob alles andere weit genug zurücklag. Benji. Das Trauma, das sein Tod in ihr ausgelöst hatte und das eine Art Blockade in ihrem Verhalten zu Männern darstellte, die ihr nahekamen. Warum erschien es ihr auf einmal so, als sei der Panzer um sie herum rissig geworden? Vielleicht hatte Weihnachten etwas damit zu tun – das Gespräch mit Dad und seine Absolution. Dass Mama das Trinken aufgehört hatte. Möglicherweise war die Basis, auf der Alex stand, stabiler geworden, und vielleicht gab ihr das etwas mehr Halt. Dabei unterschied sich Jans Weise, durchs Leben zu gehen, so sehr von Alex’ zielgerichteter Art. Ihr Leben brauchte ein System und Raster. Jan ließ alles auf sich zukommen. Vielleicht ergänzte sich das auf wunderbare Art und Weise zu einem Ganzen und hatte das Potenzial, dass der eine vom anderen lernen konnte.
    Alex bog nach rechts auf den Innenstadtring ab und gab Gas, um noch bei Gelb über die Ampel zu gelangen. Der Fahrer hinter ihr tat das ebenfalls – dabei musste die Ampel längst rot gewesen sein. Weswegen hatte der es so eilig? Um zwei Lkws zu überholen, wechselte Alex erneut die Fahrspur und warf bereits beim Blinken einen Kontrollblick in den Rückspiegel. Der andere Wagen blinkte ebenfalls.
    »Mist«, zischte Alex und bekam eine Gänsehaut. Sie dachte an den Mann, der unter ihrem Fenster gestanden hatte. An die Schritte auf dem Weihnachtsmarkt. Könnte es sein, dass …
    Sie griff nach dem Handy, als sie wieder an einer Ampel stoppte, und versuchte, im Rückspiegel das Kennzeichen des anderen Wagens zu lesen. Er rollte gerade hinter ihr heran und geriet in das seitliche Streulicht eines auf der benachbarten Fahrspur haltenden Autos. Alex erkannte daher das Herstellerlogo am Kühlergrill recht genau, auch das Kennzeichen, und …
    Ein metallischer Geschmack schoss ihr in den Mund. Das war ein Volkswagen. Ein Kombi. Vielleicht ein Golf.
    Sie wählte die Nummer der Polizeizentrale und sagte: »Stietencron, Kripo. Könnt ihr für mich bitte ein Kennzeichen überprüfen?«
    Die Ampel sprang wieder auf Grün. Alex fuhr weiter. Der Wagen hinter ihrem Mini schloss zu ihr auf. Alex nannte das Kennzeichen. Der Kollege am anderen Ende der Leitung sagte, dass es zu einem Fiat Brava gehöre, der inzwischen abgemeldet sei und zuvor auf den Namen Antje an Huef zugelassen war.
    Nach einer Schrecksekunde sagte Alex: »Das ist ein Tatverdächtiger, den wir wegen Mordes suchen. Er fährt gerade hinter mir. Ihr müsst sofort alle verfügbaren Streifenwagen losschicken.«
    Sie gab ihren genauen Standort sowie ihre Fahrtrichtung durch und wog ihre Optionen ab. Zunächst fuhr sie einfach weiter und achtete mehr auf den Rückspiegel als auf den Verkehr vor ihr. Sie könnte versuchen, den Wagen in eine Sackgasse zu locken. Bloß wo? Vielleicht ein größerer Parkplatz an einem Supermarkt oder dem Heimwerkerfachgeschäft, auf das sie gerade zufuhr. Doch was, wenn der Kombi dann einfach weiterfahren würde, statt ihr zu folgen? Gut, sie würde das merken, könnte sich dann hinter ihn setzen, aber …
    Auf der Gegenfahrbahn kamen zwei Polizeiwagen mit Blaulicht herangerauscht. Die zwei Fahrspuren dort waren durch einen breiten bewachsenen Mittelstreifen von der getrennt, auf der sich Alex befand. Die Streifenwagen würden wahrscheinlich an der Kreuzung, die sie mit ihrem Mini eben passiert hatte, eine Kehrtwende vollziehen, um in die richtige Fahrtrichtung zu

Weitere Kostenlose Bücher