Totenmond
Praxis zu Fuß nach Hause. Sie grüßte die Kollegen, die im vor ihrem Haus parkenden Streifenwagen saßen. Offenbar hatte Veronika noch nicht daran gedacht oder keine Zeit gehabt, daran zu denken, den Personenschutz abzuziehen, da sie ja annahm, mit Hankemeier den Killer und damit jede Gefahr aus dem Verkehr gezogen zu haben. Dieses Mal war ein anderes Team vor Ort, nicht Finja und Jürgen. Sie erklärte ihnen, dass sie einige Tage freihabe und einen Kurztrip unternehmen werde, um ein wenig auszuspannen, und versprach, sich zu melden, sobald sie wieder da und im Dienst sei.
Im Treppenhaus zwängte sie sich an einigen Mittzwanzigern vorbei, die mit Laptop-Taschen und Bierkisten vor Artur Jägers Tür standen. Gewiss eine Gruppe des angekündigten World-of-Warcraft-Clans. Einer von ihnen trug ein Sweatshirt mit der Aufschrift »Computer Corner«.
Alex grüßte die Jungs mit einem Nicken, die ihr mit offenem Mund hinterhersahen. Gleichzeitig öffnete sich Jägers Wohnungstür. Artur begrüßte seine Kumpel lautstark und winkte der vorbeihuschenden Alex zu. Auf dem Treppenabsatz hielt Alex einen Moment inne. Sie dachte daran, was Schneider im Café gesagt hatte. Dass der eigentliche Täter dem inhaftierten Hankemeier an den Hacken kleben könnte. Sie drehte sich um und trabte die Stufen wieder hinunter.
»Hi«, sagte sie, lächelte und strich sich eine Strähne aus der Stirn. »Oder wie heißt das bei euch Elfenkriegern? Ehre und Stahl? Es kann nur einen geben?«
Der Gamer mit dem Werbeshirt und sein Freund gackerten. Alex musste unweigerlich an Beavis und Butt-Head denken. Die dummen Comicfiguren von MTV.
Beavis zog die Nase hoch. »Nee, wir sind keine Elfen, keine Sorge. Ehre und Stahl – das ist doch aus diesem Sparta-Film 300, oder?« Er stieß seinen Kumpel an, der »Gladiator« sagte.
»Ach so«, meinte Alex schulterzuckend.
»Da ist erst die Vorhut«, erklärte Jäger. »Und wenn das zu laut wird nachher, sag mir einfach Bescheid, okay?«
»Ich bin eh nicht da, lasst die Schwerter ordentlich klingen.«
Butt-Head, der einen knöchellangen schwarzen Mantel mit Silberschnallen trug, grinste.
»Aber«, fuhr Alex fort, »ihr kennt euch doch sicher mit Computern aus?«
Beavis nickte, wobei sich sein ganzer Körper zu bewegen schien. »Joah. Ich hab da ja so’n Geschäft.«
»Und zwar das verdammt beste in der Stadt, die Computer Corner«, fügte Artur an und klang richtiggehend stolz. Beavis ließ das Lob teilnahmslos über sich ergehen. »Und Krüger hier ist Netzwerk-Admin bei der Sparkasse.«
Alex vergrub die Hände in den Hintertaschen ihrer Jeans. Erstaunlich. Butt-Head tauschte also in der Freizeit den grauen Anzug und die rote Krawatte gegen Gothic-Bekleidung.
Sie sagte: »Na, dann bin ich ja an der richtigen Adresse. Eigentlich ist das auch nur eine theoretische Frage: Ist es möglich, sich in soziale Netzwerke wie GetLove oder Facebook zu hacken und zum Beispiel unter der Identität eines Nutzers mit dessen Freunden zu kommunizieren?«
Beavis und Butt-Head wechselten einen Blick. »Hacken muss man da gar nicht. Wozu sich die Mühe machen?«, erklärte Beavis. »Man kann mit einer Remote-Software übers WLAN auf einen anderen Computer gehen und den dann steuern oder überwachen. Kommt auf die Sicherheitseinstellungen der jeweiligen Rechner an. So kann man sich auch Passwörter besorgen. Oder man schleust über einen Trojaner Keylogger ein, wenn man vollständig verfolgen will, was jemand in die Tastatur eingibt.«
»Oder man nimmt eine Stealer-Software«, ergänzte Butt-Head. »Die wird auch über einen Trojaner eingeschleust, der sich zum Beispiel in einer Bilddatei befindet oder einem Cookie und sich beim Öffnen installiert. Damit kann man Passwörter und E-Mails auslesen. Viele Accounts lassen sich ohnehin leicht cracken, weil die Leute sich bei ihren Passwörtern keine große Mühe geben und Namen von der Freundin, Nicknames, Geburtsdaten oder so etwas benutzen. Solche Trojaner kann man auch auf Smartphones schleusen, um die Handykommunikation zu überwachen.«
»Muss man dafür ein Spezialist sein?«, fragte Alex.
Butt-Head zuckte mit den Achseln. »Nö. Nur, was will man damit? Spyware einsetzen, um den ganzen Chatmüll und Info-Spam zu lesen?«
»Es gibt sicher viele Gründe«, sagte Alex.
Artur räusperte sich. »Alex ist doch bei der Polizei.«
»Ah«, machten Beavis und Butt-Head unisono und sahen so drein, als würden sie sich gerade vorstellen, wie Alex im Bikini und einer
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