Totenmontag: 7. Fall mit Tempe Brennan
Histologie, chemischen Reaktionen und Isotopengehalt beschäftigten. Ich kannte Forschungen, die Aminosäuren als nützlich für die Unterscheidung von neuen und alten Knochen darstellten.
Aber biochemische und physikalische Prozesse werden von unzähligen Faktoren beeinflusst. Temperatur. Bodenfeuchtigkeit. Sauerstoffspannung. Mikrobenaktivität. pH-Wert des Erdreichs. Keine Technik liefert verlässlich präzise Ergebnisse. Sind Fleisch und Käfer erst einmal verschwunden, wird die PMI-Bestimmung zum Bermudadreieck der forensischen Anthropologie.
Mir fiel nur ein Test ein, der eindeutige Ergebnisse liefern konnte. Aber der würde Zeit und Geld kosten, und nur eine Hand voll Institute führte ihn durch. Bei dem augenblicklichen finanziellen Klima würde ich ihn LaManche nur schwer verkaufen können.
Aber einen Versuch war es wert.
Ich stellte meine Schüssel auf den Boden, schnappte mir Handtasche und Laptop und machte mich auf den Weg.
In meinem Büro sah ich, dass das Lämpchen am Telefon sich stur weigerte zu leuchten.
Die Morgenbesprechung war Routine. Ein Mann, der an den Rauchgasen eines defekten Heizgerätes gestorben war. Ein Verkehrstoter durch Alkohol am Steuer. Ein Autoerotiker mit einem Knoten in seiner Schlinge, den er nicht mehr rechtzeitig aufziehen konnte. Eine verkohlte Leiche in einem ausgebrannten Wohnwagen.
Pelletier bekam das Feueropfer. Obwohl man davon ausging, dass die Überreste die des Wohnwagenbesitzers waren, bat er mich, ich solle mich zur Verfügung halten, falls es kniffelig wurde.
Während die anderen das Besprechungszimmer verließen, wandte ich mich an LaManche.
»Kann ich kurz mit Ihnen sprechen?«
» Mais, oui. « LaManche setzte sich wieder.
»Ich habe zwei der Skelette aus dem Keller der Pizzabude untersucht.«
Als LaManche die Brauen hob, verlängerten und vertieften sich die Falten in seinem Gesicht. Er wirkte plötzlich älter, erschöpfter, als ich ihn in Erinnerung hatte. War es das kalte Morgenlicht vom Fenster hinter mir? Ging es LaManche nicht gut? Hatte ich es bis jetzt einfach noch nicht bemerkt?
»Die beiden Opfer, die ich untersucht habe, sind jung und weiblich«, sagte ich. »Ich bin mir sicher, dass das dritte ebenfalls eine junge Frau ist.«
»Sie benutzen das Wort Opfer.«
»Sie sind Jugendliche, und sie sind tot.«
LaManches melancholische Augen zeigten keine Reaktion auf meine Schärfe.
»Aber ich habe keine Hinweise auf Gewalteinwirkung gefunden«, gab ich zu.
»Monsieur Claudel hat den Eindruck, dass diese Überreste wahrscheinlich nicht jüngeren Datums sind.«
»Der Restaurantbesitzer hat Knöpfe gefunden, die aus dem neunzehnten Jahrhundert stammen könnten.«
»Könnten?« Wieder hoben sich die Brauen.
»Claudel brachte sie ins McCord.«
»Sie sind nicht überzeugt?«
»Auch wenn die Knöpfe echt sind, ist nicht klar, ob sie wirklich mit einem der Skelette in Verbindung stehen. Ihr Vorhandensein im Keller könnte eine Vielzahl von Gründen haben.«
LaManche seufzte und zupfte sich am Ohrläppchen. »Monsieur Claudel hat mir außerdem gesagt, dass das Gebäude mehr als hundert Jahre alt ist.«
»Claudel hat das Anwesen recherchiert?« Ich spürte, wie mir Hitze ins Gesicht stieg. »Mir hat er das nicht mitgeteilt.«
»Erbaut wurde es vor über einem Jahrhundert.«
Ich habe ein sehr hitziges Temperament. Das Temperament meines Vaters. Manchmal, wenn Alkohol hinzukam, wurde er von Wut beherrscht. In meiner Jugend bekam ich diese Ausbrüche zu spüren.
Wie Daddy erlag ich den Verlockungen der Flasche. Im Gegensatz zu ihm konnte ich mich aus den Klauen des Alkohols wieder befreien. Ebenfalls im Gegensatz zu ihm lernte ich, mein Temperament zu zügeln. Wenn in mir das Feuer glüht, werde ich nach außen hin tödlich kalt.
»Ist Monsieur Claudel denn nicht bewusst, dass solche Informationen für meine Arbeit wesentlich sind?«, fragte ich mit Gletscherstimme.
»Ich bin mir sicher, dass er Sie noch in allen Einzelheiten informieren wird.«
»Zu meinen Lebzeiten?«
»Gegen mich brauchen Sie sich nicht zu wehren. Ich greife Sie nicht an.«
Ich atmete tief durch.
»Es gibt einen Test, der das Problem lösen könnte.«
»Erzählen Sie.«
»Haben Sie schon von der C-14-Datierung gehört?«
»Ich weiß, dass sie zur Altersbestimmung von organischem Material benutzt wird, auch von menschlichen Knochen. Ich weiß nicht, wie sie funktioniert.«
»Radiokarbon oder C-14 ist ein instabiles Isotop. Wie alle radioaktiven Substanzen
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