Totenmontag: 7. Fall mit Tempe Brennan
Knochenmaterial braucht man dazu?«
»Für die konventionelle Zerfallszählung zweihundertfünfzig Gramm. Für die Beschleunigungsmassenspektrometrie, auch AMS genannt, nur ein Gramm oder weniger.«
»Der AMS-Test kostet mehr?«
»Ja.«
»Wie viel?«
Ich sagte es ihm.
LaManche nahm die Brille ab und massierte sich mit Daumen und Zeigefinger den Nasenrücken.
»Gibt es keinen Zwischenschritt, mit dem man bestimmen kann, ob eine solche Ausgabe gerechtfertigt ist?«
»Eine Sache gibt es, die ich versuchen könnte. Die Technik ist nicht besonders verlässlich, aber sie ist einfach und könnte uns zeigen, ob der Tod vor mehr oder weniger als hundert Jahren eintrat.«
LaManche wollte etwas sagen.
»Und umsonst«, ergänzte ich. »Ich kann den Test selber machen. Aber noch einmal, wir erhalten dadurch nur einen sehr unpräzisen Hinweis darauf, ob die Knochen mehr oder weniger als hundert Jahre alt sind.«
»Bitte.« LaManche setzte sich die Brille wieder auf die Nase. »Und unterdessen spreche ich mit Dr. Authier über Ihren Vorschlag.«
Jean-François Authier, der Chief Coroner, entschied über alle Anträge für zusätzlichen Ausgaben. Die meisten wurden abgelehnt.
Ich holte mir einen Labormantel aus meinem Büro und fuhr in die Leichenhalle. Morin und Ayers setzten in Raum zwei bereits Y-Schnitte. Ich forderte eine UV-Lampe an und wartete, bis der Techniker sie besorgt hatte. Dann lief ich in die entsprechende Verwahrbucht und holte die linken Oberschenkelknochen der Skelette 38 426, 38 427 und 38 428.
In Autopsieraum vier schrieb ich die jeweiligen Fallnummern auf die proximalen und distalen Enden der Beinknochen und legte sie auf den Autopsietisch. Jeder schickte ein leises Klacken in die Stille.
Nachdem ich mir die Schutzmaske aufgesetzt hatte, steckte ich eine Stryker-Säge ein und brachte sie auf Touren. Weißes Pulver rieselte auf den Edelstahl, als ich die drei Femurschäfte durchtrennte. Ein heißer, beißender Geruch erfüllte die Luft.
Wieder einmal dachte ich über die jungen Frauen nach, deren Knochen ich hier durchsägte. Waren sie im Kreis der Familie gestorben? Wahrscheinlich nicht. Allein und verängstigt? Eher wahrscheinlich. Voller Hoffnung auf Rettung? Verzweifelt? Wütend? Erleichtert? Alles war möglich. Sie konnten es mir nicht mehr sagen.
Nach dem Sägen nahm ich die Knochensegmente und die UV-Lampe und trug alles in eine winzige Kammer am Ende des Korridors.
Mach schon. Lass es funktionieren.
Ich betrat die Kammer, suchte mir eine Steckdose und stöpselte die UV-Lampe ein. Dann legte ich die Knochenhälften mit den frischen Sägeflächen nach außen auf ein Regal.
Nachdem ich die Tür geschlossen hatte, war es pechschwarz in der Kammer.
Mit angehaltenem Atem schaltete ich die Lampe ein und richtete sie auf die Knochen.
8
»Ja!« Meine freie Faust schnellte in die Luft.
Röhrenknochen, die bis zu einem Jahrhundert alt sind, können unter UV-Licht fluoreszieren. Im Lauf der Zeit nimmt die Fluoreszenz ab, wobei sich die tote Zone von der Markhöhle nach außen und von der Außenhaut nach innen ausbreitet. Nach einem postmortalen Jahrhundert ist das gelblich grüne Leuchten völlig verschwunden.
Diese Dinger dampften wie Neon-Donuts.
Okay, Claudel. Das war der erste Schritt.
Ich brachte die Oberschenkelknochen zu ihren jeweiligen Leichensäcken zurück und machte mich auf die Suche nach meinem Chef.
LaManche sezierte im Histologie-Labor eben ein Gehirn. Als ich eintrat, drehte er sich um, das Skalpell in der Hand, die Plastikschürze im Nacken und im Kreuz verknotet. Ich berichtete ihm, was ich getan hatte.
»Und?«
»Die Schnittflächen leuchten auf wie Novas.«
»Bedeutet?«
»Vorhandensein von organischen Bestandteilen.«
LaManche legte das Skalpell auf die Korkunterlage. »Das sind also keine Grabstätten von Ureinwohnern.«
»Die Mädchen starben nach 1900.«
»Eindeutig?«
»Wahrscheinlich.« Mit weniger Nachdruck.
»Das Gebäude wurde um die Jahrhundertwende herum errichtet.«
Ich erwiderte nichts.
»Erinnern Sie sich noch an die Überreste, die wir in der Nähe der Cathédrale Marie-Reine-du-Monde gefunden haben?«
LaManche meinte einen Fall, bei dem er mich in die Innenstadt geschickt hatte, um »Leichen« zu untersuchen, die ein Bautrupp der Wasserversorgung entdeckt hatte. Als ich dort ankam, sah ich Schaufelbagger, Kipper und ein riesiges Loch im Boulevard René-Lévesque. Einige Schädel-, Rippen- und Knochenstücke lagen auf dem Pflaster
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