Totenmontag: 7. Fall mit Tempe Brennan
hektisch wie ein Krankenwagen auf einer Notfallfahrt. Ich eilte durchs Zimmer und packte den Hörer.
Anne. Ihr Flug kam um 17 Uhr 25 an.
Arthur Holliday, der Mann, der den C-14-Test durchführen würde. Er bat mich, ihn anzurufen, bevor ich die Proben wegschickte.
Ich rannte ins Sekretariat und wühlte in dem Stapel der ausgehenden Post. FedEx hatte mein Päckchen noch nicht abgeholt. Ich zog es heraus, kehrte in mein Büro zurück und wählte, etwas verwundert darüber, was das Problem sein könnte, die Nummer des Labors in Florida.
»Tempe, gut, gut. Ich habe sofort angerufen, als ich Ihre Mail bekommen habe. Haben Sie die Knochenproben schon losgeschickt?«
»Sie sind versandfertig, aber noch hier. Gibt’s ein Problem?«
»Nein, nein. Überhaupt keins. Alles bestens. Gut. Hören Sie, haben Ihre Unbekannten Zähne?«
»Ja.«
»Gut, gut. Hören Sie, wir haben hier ein kleines Forschungsprojekt laufen, und ich habe mich gefragt, ob der Geburtsort in Ihrem Fall vielleicht von Interesse sein könnte?«
»Über diesen Aspekt habe ich noch gar nicht nachgedacht, aber ja, diese Information könnte nützlich sein. Können Sie so was wirklich herausfinden?«
»Hat dieser Keller viel Grundwasser?«
»Nein, er ist ziemlich trocken.«
»Ich kann nichts versprechen, aber wir bekommen bei unseren Strontiumisotopen-Analysen ziemlich gute Ergebnisse. Wenn Sie uns gestatten, die Ergebnisse in unsere Datenbank einzugeben, dann melden Sie sich bei uns, wenn Sie Ihre Unbekannten identifiziert haben, und mir wäre es ein Vergnügen, diesen experimentellen Test gratis für Sie durchzuführen.«
»Gratis?«
»Wir müssen unsere Referenz-Datenbank erweitern.«
»Was soll ich schicken?«
Er sagte es mir und setzte dann zu einer Erklärung an, warum er sowohl Knochen- wie Zahnproben benötigte. Die Uhr zeigte 15 Uhr 50. Ich unterbrach ihn.
»Art, könnten Sie mir das erklären, wenn wir die Ergebnisse besprechen? Wenn ich diese Proben noch heute dem FedEx-Kurier mitgeben will, dann muss ich jetzt zu den Skeletten zurück und in dreißig Minuten die Zähne gezogen haben.«
»Ja, ja. Natürlich. Wir reden dann. Tempe, das führt vielleicht zu nichts, aber na ja, man kann nie wissen.«
Ich legte auf, fuhr wieder in die Leichenhalle hinunter, schnitt noch eine weitere Probe aus dem Oberschenkelknochen jedes Skeletts, legte die Knochen zurück, nahm mir die Unterkiefer, ging in mein Labor, fotografierte die Unterkiefer, zog aus jedem den rechten Backenzahn, verpackte alles und legte das Päckchen auf den Haufen noch nicht abgeholter Post. Dabei war ich froh, dass ich bereits dentale Röntgenaufnahmen hatte machen lassen.
Um halb fünf saß ich wieder in meinem Büro.
Ich legte die Füße aufs Fensterbrett, nippte an meiner Diet Coke, aß den ersten Donut und zwang mich, an anderes zu denken als an die Mädchen aus dem Pizzakeller.
Katy.
Was war mit Katy? Ich hatte keine Ahnung, was meine Tochter im Augenblick tat. Oder wo genau sie war. Anrufen? Ich schaute auf die Uhr. Wahrscheinlich war sie nicht zu Hause, saß in der Bibliothek oder in einem Seminar. Gut.
Vermutlich studierte Katy eifrig und plante ihre Zukunft nach der Universität. Ich wurde nicht auf dem Laufenden gehalten. Hatte mein kleines Mädchen mir nichts, dir nichts ein Erwachsenenleben begonnen, in dem ich nur eine unbedeutende Rolle spielen sollte?
Ich musste lächeln bei dem Gedanken, doch er brachte mich auch zurück zu den Mädchen, die jetzt nur noch Skelette waren.
Warum kein einziger Fetzen Kleidung? Hatte ich etwas übersehen? Hätte ich ein feineres Sieb benutzen sollen? Hatte der Besitzer mehr als die Knöpfe an sich genommen? Was konnte eine Erklärung sein für drei nackte, in einem Keller vergrabene Mädchen?
Diet Coke. Ein gedanklicher Schwenk nach rechts.
Anne.
Warum der unerwartete Besuch? Was steckte hinter dem komischen Klang ihrer Stimme?
Beim zweiten Donut wandte ich mich noch einmal den Skeletten zu.
Wenn alle drei Mädchen zur selben Zeit gestorben waren, warum dann Adipocire nur bei dem dritten Skelett? Okay. Es war eingewickelt. Aber warum nur dieses eine?
Nichts. Neues Thema.
Ein Pullover, den ich in Ogilvys Schaufenster gesehen hatte. Ein Knirschen im Motor meines Autos. Ein merkwürdiger brauner Fleck auf meiner rechten Schulter.
Am Ende des zweiten Donut war ich schon wieder bei den Skeletten.
Die Leichen waren weniger als fünfzehn Zentimeter tief vergraben. Warum so dicht an der Oberfläche? Gräber von Ureinwohnern
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