Totenmontag: 7. Fall mit Tempe Brennan
dem Hut?«
»Chabad-Lubawitscher tragen weder Peot noch Schtreimel.«
»Sollte doch nur ein kleiner Witz sein, Doc. Meinen Sie, dass einer der beiden in Frage kommen könnte?«
»Sie wollen meine Meinung hören?«
Charbonneau nickte.
»Unwahrscheinlich.« Ich stand auf.
Charbonneau erhob sich ebenfalls, legte sich den Mantel über den linken Arm und holte ein Stück Papier aus der Tasche. »Das soll ich Ihnen geben.«
Auf dem Zettel standen die Telefonnummer, die Mrs. Ballant/ Gallant/Talent hinterlassen hatte, der Name Alban Fisher und eine Adresse in Candiac.
»Ist das eine Anrufer-Recherche?«
Ich nickte.
»Geht Ihnen jemand auf die Nerven?«
»Außer dem Spinner, der in meine Wohnung eingebrochen ist?«
»Ach so?« Charbonneaus Gesicht verhärtete sich.
Fehler.
»Nicht so wichtig. Außerdem hat Ryan verstärkte Streife in meinem Viertel angeordnet.«
Ich warf einen flüchtigen Blick auf den Zettel, den Charbonneau mir gegeben hatte.
»Diese Frau rief an und behauptete, etwas über die Knochen in der Pizzabude zu wissen.«
»Was?«
»Keine Ahnung. Sie meinte, sie wisse, was da in Cyrs Gebäude passiert sei.«
»Lassen Sie mich wissen, was diese Dame sagt, sobald Sie mit ihr gesprochen haben. Wenn Sie sie heute nicht erreichen, fahre ich mal da raus. Und lassen Sie es mich wissen, wenn Sie noch mal von jemandem belästigt werden, Doc. Das meine ich ernst.«
Wieder zögerte Charbonneau, diesmal ein wenig länger.
»Ärgern Sie sich nicht zu sehr über Luc. Der kriegt sich schon wieder ein. Und außerdem, Doc, auch er würde nicht zulassen, dass irgendjemand Sie belästigt. Das können Sie mir glauben.«
Ich war skeptisch.
Nachdem ich das Minenfeld der Unterhaltung mit Charbonneau überlebt hatte, hätte ich auf die nächste Überraschung eigentlich vorbereitet sein sollen. Aber ich war es nicht.
Als ich das Besprechungszimmer betrat, sah ich fünf Pathologen tief im Gespräch.
Ich murmelte eine Entschuldigung für mein Zuspätkommen. LaManche schob mir eine Fotokopie über den Tisch.
Drei Autopsien waren bereits zugewiesen worden. Pelletier hatte zwei Crack-Junkies, die man in der Lionel-Groulx-Metrostation gefunden hatte. Morin hatte einen Motorradfahrer gezogen, den ein Löschzug überrollt hatte.
Ich blätterte eine Seite um und überflog die letzten beiden Fälle.
Ein Mann war mit dem Gesicht nach unten unter der Treppe am Mont-Royal-Ende der Drummond gefunden worden.
Nom de décédé: Inconnu. Name unbekannt.
Eine Frau war tot in ihrem Bett aufgefunden worden.
Nom de décédée: Louise Parent
Date de naissance: 1943/6/18
Info: Mort suspecte. Unklare Todesursache.
Mein Blick rutschte in die nächste Zeile. Und das Herz rutschte mir in die Hose.
18
LaManches Stimme kam plötzlich wie aus weiter Ferne. Das Zimmer, in dem ich mich befand, wich zurück.
Ich wühlte in der Tasche meines Labormantels und zog Charbonneaus Zettel heraus.
O Gott.
Die Adresse auf dem Zettel war dieselbe wie die in der Fallakte.
Während ich den Namen noch anstarrte, sprach LaManche ihn aus.
»Louise Parent.«
Ballant. Gallant. Talent. Parent.
Die Brust wurde mir eng.
»Wer hat sie gefunden?«
Alle drehten sich, überrascht von meiner Vehemenz, zu mir um.
Wortlos zog LaManche den Polizeibericht heraus.
»Claudia Bastillo. Die Nichte des Opfers.«
»Was ist passiert?«
Einige Sekunden lang las LaManche stumm in der Akte.
»Madame Bastillo hatte die Gewohnheit, regelmäßig mit ihrer Mutter zu telefonieren. Die Mutter, Rose Fisher, und das Opfer, Louise Parent, waren Schwestern und teilten sich ein Haus in Candiac.«
LaManche suchte sich das Wichtigste heraus.
»Übers Wochenende ging niemand ans Telefon, wenn Bastillo anrief. Sie fuhr früh heute Morgen dorthin, um nachzusehen, und fand ihre Tante tot im Bett.«
Mein Gott! Ich hatte in derselben Zeitspanne wie ihre Nichte versucht, Parent zu erreichen!
»Rose Fisher geht es gut?«
LaManche überflog den Rest des Berichts.
»Hier steht nichts über den Aufenthaltsort von Madame Fisher. Ich nehme an, die Dame weilt noch unter den Lebenden, da sie nicht auf dem Weg hierher ist.«
»Todesursache?« Ich wusste, wie dumm die Frage war, kaum dass ich sie stellte.
LaManche sah mich über die Brille hinweg an.
»Das ist der Grund, warum Madame Parent zu uns kommt.«
Fragen wirbelten mir durch den Kopf.
Ein Verbrechen oder ein grausiger Zufall? War Parent ermordet worden, oder war sie eines natürlichen Todes gestorben? Hatte ihr Tod etwas
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