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Totennacht (German Edition)

Totennacht (German Edition)

Titel: Totennacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Todd Ritter
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anderen.»
    Jedenfalls glaubte Nick nun nicht mehr daran, dass die Jungen entführt und tagelang gefangen gehalten, sondern innerhalb kurzer Zeit ermordet worden waren, vielleicht schon dort, wo der Täter sie aufgegriffen hatte. Allein das Verschwinden von Dennis Kepner passte mit dieser Theorie nicht so recht zusammen, was aber vielleicht daran lag, dass der Täter in diesem Fall fürchten musste, von den Nachbarn beobachtet zu werden.
    «Hör zu», sagte Tony. «Hier ist richtig was los. Die Presse hat Wind von unserem Knochenfund bekommen und verlangt nach Informationen. Gleichzeitig sitzt mir Gloria im Nacken, und soeben – jetzt kommt’s – habe ich von den Kollegen in Fairmount erfahren, dass es noch eine dicke Akte über Dennis Kepner gibt, die sie angeblich übersehen haben.»
    «Was hat es damit auf sich?»
    Tony seufzte frustriert. «Du glaubst doch nicht etwa, ich hätte schon Gelegenheit gehabt, einen Blick darauf zu werfen. Wie hast du es eigentlich geschafft, diesen Job zu machen und nicht durchzudrehen?»
    «Kümmere dich nicht um Gloria», riet Nick. «Wirf der Pressemeute irgendeinen Knochen vor, an dem sie einen Tag lang zu beißen hat. Und schau dir diese neue Kepner-Akte an. Ich werde derweil Bucky Masons Vater auftreiben und fragen, woran er sich erinnern kann.»
    Er sagte dies, als wäre es selbstverständlich, in der Hoffnung, dass Tony, gestresst, wie er war, keinen Einspruch einlegte. Vergeblich.
    «Nick, ich glaube, es wäre besser, ich schicke einen Kollegen hin. Gloria –»
    «Du hast doch gehört, was ich dir gesagt habe», unterbrach Nick.
    «Schon, aber das ist leichter gesagt als getan», entgegnete Tony. «Sie ist schließlich meine Vorgesetzte. Sie wird an die Decke gehen, wenn sie erfährt, dass du im Alleingang Mitglieder der Familie vernimmst.»
    «Na schön», erwiderte Nick. «Schick einen Kollegen. Und sag ihm, er soll sich sputen.»
    «Verdammt, Donnelly, du bist doch nicht schon vor Ort?»
    Nein, aber fast. Nick war nur noch wenige Meilen von Centralia entfernt.
    «Lass mich nur ein paar Worte mit dem Mann wechseln. Wir stehen doch auf derselben Seite, wollen beide herausfinden, was den Jungen widerfahren und wer dafür verantwortlich ist. Ich will meinen Teil dazu beitragen.»
    «Okay», sagte Tony. «Aber bitte sei professionell.»
    «Hey, das bin ich immer.»
    Lieutenant Vasquez musste kichern. «Das warst du nicht einmal während deiner Zeit im Dienst.»
    Nick legte das Handy weg und fädelte sich wieder in den Verkehr ein. Sein Navigationssystem widersprach seiner Vermutung, in Kürze Centralia erreicht zu haben. Auf der Straßenkarte war nichts zu sehen. Keine Straßen, keine Gebäude, nichts. Doch Vinnie Rosso, Nicks Quelle, gab keine falschen Auskünfte. Wenn er sagte, Bill Mason lebe noch, und zwar in Centralia, war darauf Verlass.
    So hoffte Nick zumindest.
    Der zweite Hinweis darauf, dass irgendetwas nicht stimmte, folgte nach gut einer Meile, als Nick an einem Schild vorbeikam, das vor toxischen Dämpfen warnte. Der Gestank ließ nicht lange auf sich warten – eine Mischung aus Rauch und Schwefel wie von Zigarettenstummeln und faulen Eiern. Nick schloss die Fenster und schaltete die Klimaanlage aus. Aber es half nichts. Der Gestank hatte sich bereits im Inneren des Wagens breitgemacht.
    Eine halbe Meile später hieß ihn Centralia mit Rauchfahnen willkommen. Über einem Wald aus toten Bäumen hing eine unheimliche Wolke, eine Art Nebelbank, deren Schwaden bis zur Straße reichten. Nick musste abbremsen, weil er kaum mehr etwas sehen konnte.
    Als er aus den Schwaden wiederauftauchte, traf er auf eine scharfe Rechtskehre. Geradeaus führte eine Straße, die mit Betonklötzen versperrt war. Sie wäre ohnehin nicht befahrbar gewesen, denn im Asphalt klaffte eine breite Lücke mit aufgeworfenen Rändern. Daraus stiegen dünne Rauchschlieren auf.
    Nick blieb nichts anderes übrig, als rechts abzubiegen, in Richtung der toten, rauchverhangenen Bäume. Bald kam er an einem ummauerten Friedhof vorbei. Auch daraus rauchte es. Unwillkürlich dachte Nick an die Hölle auf Erden und flüsterte ein Stoßgebet für die armen Seelen, die dort begraben waren.
    Allmählich verzog sich der Rauch, nicht so der schwefelige Gestank. Nick roch ihn durch die geschlossenen Fenster hindurch. Er versuchte, sich zu orientieren. Die Stadt schien wie weggewischt. Er sah Straßen und Straßenkreuzungen mit Verkehrsschildern, aber keine Häuser. Die Fahrbahn, auf der er sich befand, war

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