Totenpech
Service? Service vom Hafen
zum Fischkutter, der auf dem Meer wartete und mit der menschlichen Ware
weiterfuhr? Nur, wohin?
32. KAPITEL
Mallorca   Aethel
stand an der Reling, blickte aufs Meer und beobachtete, wie die Sonne die
Oberfläche zum wilden Blitzen brachte, als würden Diamanten ein Freudenfunkeln
darauf vollführen. Sie genoss die warmen Sonnenstrahlen, die durch ihre Jacke
drangen und auf ihr blasses Gesicht einen Hauch von Wangenrot zauberten. Sie
dachte an das gestrige Polospiel und an die Begegnung mit Lord Richmond. Er
hatte sie so merkwürdig angesehen, als wüsste er irgendetwas. Hatte er
vielleicht bei den Dozenten nachgefragt? Hatte er sich über sie näher erkundigt
und festgestellt, dass sie niemand an der Uni kannte? Würde er tatsächlich so
dreist sein? Sie selbst hatte immer dafür gesorgt, dass sie zu keiner Minute
allein waren und er keine unangenehmen Fragen stellen konnte, um sich gegen
einen eventuellen Angriff in Ruhe wappnen zu können.
Sie sah auf das schwarze Zifferblatt ihrer diamantbesetzten
Bulgari-Uhr. In vier Stunden würden sie anlegen, und in etwa sechs Stunden
hatte sie einen Termin direkt in Palma, wo sie die Büste bei dem Kunden
abliefern sollte. Es war das erste Mal, dass sie etwas persönlich ablieferte.
Bei dem Wert, den die Büste haben musste, wollte ihr Auftraggeber wohl auf
Nummer sicher gehen.
Sie hatte ihren ersten Gedanken verworfen, sich einfach nicht mehr
zu melden und die Büste zu behalten. Der Preis wäre zu hoch gewesen. Und sie
war noch nicht so weit, um auszusteigen. AuÃerdem wusste sie nicht, wie weit
ihr Auftraggeber gehen würde. Sie hatte sich noch nie ernsthafte Gedanken
darüber gemacht. Immerhin hatte alles mal als eine Art Spaà angefangen.
Vor ein paar Jahren hatte sie auf einer Auktion durch Zufall diese
Frau kennengelernt. Sie hatte neben ihr gesessen und auf alle ägyptischen
Stücke geboten, die das Auktionshaus zu bieten hatte, und alle, bis auf zwei
Ausnahmen, ersteigert. Die Summe hatte etwa eine halbe Million Euro betragen.
Die Frau hatte ihr ins Ohr geflüstert, dass ihr kostspieliges Hobby sie noch in
den Ruin treiben würde, wenn sie nicht bald einen anderen Weg fände, ihren
HeiÃhunger nach diesen schönen Kostbarkeiten zu stillen. Zum Glück könne man
davon nicht dick werden. Sie hatte gelacht, und Aethel hatte eingestimmt.
Daraus hatte sich eine langjährige und ertragreiche Geschäftsverbindung für
beide ergeben, die nur über E -Mail
und ein Postfach funktionierte, an das sie die kostbaren Pakete schicken
sollte.
Doch das Ganze hatte immer einen Beigeschmack gehabt. Aethel wurde
nie das Gefühl los, dass das Treffen bei der Auktion damals nicht zufällig
gewesen war. Die brennende Frage stellte sich dabei, wie viel wusste ihre
Auftraggeberin eigentlich von ihr, und wie weit würde sie gehen, wenn Aethel
aussteigen wollte.
Die Welt war schlecht, das war der Standardsatz ihres Vaters, und
der hatte sich in Aethels Gehirn gebrannt.
Sie sah auf die blaue Reisetasche zu ihren FüÃen. Es war das erste
Mal, dass es ihr schwerfiel, sich von etwas zu trennen. Sie fragte sich, was
wohl mit der Büste passieren würde? Alle Teile, die sie in den letzten Jahren
auftragsgemäà aus Häusern, Wohnungen oder Schlössern gestohlen hatte, waren auf
Nimmerwiedersehen verschwunden. Aethel lächelte in die Sonne. Nicht alle
natürlich. Ein oder zwei kleine, unauffällige Stücke der ergaunerten Beute
hatte sie immer für sich behalten, für ihre Schatztruhe.
Wozu sammelte ihre Auftraggeberin Kunstschätze in ganz Europa? Es
war ja nicht so, dass sie sich generell für Kunst interessierte. Nein, es waren
ausschlieÃlich Stücke aus altägyptischer Zeit. Aber vielleicht irrte sie sich
auch, und sie für ihren Teil wurde ausschlieÃlich auf diese Art von Kunst
angesetzt, ein anderer vielleicht auf alte Gemälde, von denen sie nichts
verstand. Erst kürzlich waren doch ein paar Goyas aus einer Privatsammlung
verschwunden.
Aethel band ihre Haare, die der Wind gelöst hatte, wieder zu einem
straffen Pferdeschwanz zusammen und dachte über den Namen Joseph Hoppe nach.
Der Holländer, der Anfang des 20. Jahrhunderts bekannt gewesen war für seine
ägyptische Kunstsammlung. Immer wieder bedauerte Aethel es, nicht in der Zeit
ihres GroÃvaters gelebt zu haben.
Hoppe hatte vor siebzig Jahren Möbel aus
Weitere Kostenlose Bücher