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Totenpech

Titel: Totenpech Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Pleva
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erzählen.
    Besonders interessant fand Lina die Halle des Ketzerkönigs Echnaton.
Es war der König, den sie mit Abstand am beeindruckendsten fand. Und das nicht
wegen seines merkwürdig ausladenden Beckens, das eher an die Figur einer Frau
erinnerte, sondern wegen seines Gesichts. Er hatte ein schmales, wunderschönes
Gesicht, volle Lippen, mandelförmige Augen, eine gerade lange Nase.
    Â»Schön erscheinst du am Horizont des Himmels, du lebendige Sonne,
die das Leben bestimmt! Du bist aufgegangen im Osthorizont und hast jedes Land
mit deiner Schönheit erfüllt. Schön bist du, groß und strahlend, hoch über
allem Land … Worte aus dem Sonnenhymnus von Echnaton. Er proklamierte den
Sonnengott, genannt Aton, zum alleinigen Gott. Der tägliche Lauf der Sonne
garantierte den Fortbestand der Welt. Jeden Tag wurde so das Schöpfungswerk
erneuert. Er selbst sah sich als sein Sohn, weil er der Einzige war, der das
Wunder der Schöpfung verstand. Er und seine Gemahlin Nofretete waren das
interessanteste Paar der ägyptischen Geschichte.«
    Â»Er hat einen schönen Mund, findest du nicht?«
    Daniel nahm ihren Kopf zwischen die Hände und küsste sie
leidenschaftlich. »Fast so schön wie deiner«, flüsterte er. Sein plötzliches
Innehalten ließ Lina die Augen öffnen. Daniel sah erschrocken aus. Irgendetwas
war hinter ihr. Sie wollte sich umdrehen, um zu sehen, was er da entdeckt hatte,
doch Daniel griff nach ihrer Hand und zog sie aus der Halle hinter sich her.
    Â»Was ist denn los?«
    Â»Nichts. Lass uns von hier verschwinden.«
    Lina konnte es nicht fassen, jetzt war sie schon einmal hier und
durfte nicht einmal in Ruhe durch das Museum streifen. Was hatte Daniel nur
gesehen, dass er es plötzlich so eilig hatte?
    Erst im Taxi entspannte er sich wieder. Doch er war irgendwie
anders. Nahm sie nicht in den Arm und sah sie auch nicht an. Wie ein Eisklotz
saß er neben ihr. Seine Hände waren zu Fäusten geballt. Lina bekam eine
Gänsehaut.

70. KAPITEL
    Endlich waren die Pforten des Museums geschlossen. Ronald Walter
genoss es, sich ungestört unter den riesenhaften Statuen altägyptischer Zeiten
zu bewegen. Diese Ruhe ohne Menschen war geradezu himmlisch. Seit er hier in
Kairo war, arbeitete er nun als »Mädchen für alles«. Zuerst hatte man ihm die
Aufgabe erteilt, sämtliche Stücke in den Vitrinen zu reinigen – eine exzellente
Aufgabe, um sich mit den kleinen Details des Museums vertraut zu machen –, und
heute hatte er seine erste Führung für die deutschsprachigen Besucher
absolviert. Abends lief er dann meist noch einmal die Hallen ab und nahm alles
in sich auf. Auf dem Weg zum Keller blieb er bei der überlebensgroßen Statue
von Chephren aus schwarzem Diorit stehen und betrachtete den Falkengott Horus,
der hinter dem schwarzen Kopf die Flügel ausbreitete. Hier hatte er heute
dieses hübsche Paar beobachtet und belauscht. Es war eigenartig, aber Menschen,
besonders die Deutschen, gaben sich im Ausland oft ungezwungener, weil sie der
irrwitzigen Meinung waren, dass niemand sie versteht. Er war in der letzten
Zeit Zeuge von so einigen Konversationen geworden, die man normalerweise nur in
Zweisamkeit hinter verschlossenen Türen geführt hätte. Dieses Paar hatte er nur
beobachtet, weil der Mann einen perfekten Führer abgegeben hatte. Besser als er
selbst. Die junge Frau war besonders hübsch gewesen mit ihren langen schwarzen
Haaren und ihrem anmutigen Körper. Er hatte kaum den Blick von ihr abwenden
können. Der Mann schien über beide Ohren in sie verliebt zu sein. Dann hatte er
die beiden aus den Augen verloren und erst wieder im Saal 3 gesehen. Der Saal,
der dem Ketzerkönig Echnaton gehört.
    Der Mann hatte die Frau geküsst, sehr leidenschaftlich, und
plötzlich waren sie aus dem Saal gestürzt, als hätten sie den Leibhaftigen
gesehen. Er aufgebracht, sie völlig verwirrt. Ronald war unauffällig auf seinem
Beobachterposten geblieben, und kurz darauf hatte er eine Bewegung hinter den
Säulen wahrgenommen. Eine Frau trat dahinter hervor. Hass und Eifersucht
standen ihr ins Gesicht geschrieben. Vermutlich war sie der Grund des plötzlichen
Aufbruchs gewesen. Er war der Frau weiter durch das Museum gefolgt, wurde aber
von der Direktorin ins Büro beordert und musste die Verfolgung aufgeben.
    Gestern hatte er die Direktorin des Museums beiläufig

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