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Totenpfad

Totenpfad

Titel: Totenpfad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elly Griffiths , Tanja Handels
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Ihnen flüstern. Dann schauen Sie nämlich einer Bürgerwehr ins Gesicht, die Ihren Wohnwagen abfackeln will.»
    Cathbad mustert Nelson einen endlosen Augenblick lang und zieht dabei seinen Umhang wie zum Schutz enger um den Körper. Dann sagt er mit leiser, ausdrucksloser Stimme: «Vor zehn Jahren lebte ich in einer Kommune in der Nähe von Cromer.»
    «Und davor?»
    «Habe ich studiert.»
    «Wo?»
    «In Manchester.» Cathbad wirft Ruth einen raschen Blick zu und lächelt dabei recht eigenartig. «Archäologie.»
    Ruth schnappt unwillkürlich nach Luft. «Aber da hat doch   …»
    «…   Erik Anderssen unterrichtet. Ja, genau. Daher kenne ich ihn.»
    Nelson scheint sich nicht weiter für diesen Umstand zu interessieren, doch Ruths Gedanken rasen. Dann kannte Cathbad Erik also schon lange vor der Ausgrabung. Warum hat Erik das nie erwähnt? Er war ihr Betreuer, als sie an der Universität in Southhampton ihre Doktorarbeit schrieb, aber sie wusste, dass er bis kurz vorher in Manchester unterrichtet hatte. Warum hat Erik ihr nie erzählt, dass er auch Cathbads Professor war?
    «Und was haben Sie in dieser Kommune getrieben? Ist man da auch einer richtigen Arbeit nachgegangen?»
    «Kommt drauf an, was Sie unter ‹richtiger Arbeit› verstehen.» Cathbads alter Kampfgeist kehrt zurück. «Wir haben Gemüse angepflanzt und gekocht, wir haben musiziert, miteinander gesungen und uns geliebt.» Nach einer kurzen Pause fügt er hinzu: «Außerdem war ich Postbote.»
    «Postbote?»
    «Ja. Ist das ‹richtig› genug für Ihren Geschmack? Das frühe Aufstehen entsprach mir sehr. Ich liebe die Morgendämmerung, und danach hat man den Rest des Tages frei.»
    «Frei, um die Henge-Grabungen zu sabotieren?»
    «Sabotieren!» Cathbads Temperament flackert wieder auf. «Wir haben versucht, den Henge zu retten! Erik hat das begriffen. Er war nicht so wie diese   …» Er sucht nach einem möglichst drastischen Schimpfwort. «Diese   …
Beamten
. Er hat begriffen, dass es sich um eine heilige Stätte handelt, die dem Ort und dem Meer geweiht ist. Da ging es nicht um Radiokarbondatierung und diesen ganzen Firlefanz. Es ging um Einssein mit der Natur.»
    Nelson unterbricht ihn erneut, und Ruth ist überzeugt, dass er ihm gar nicht zugehört hat. «Und als die Ausgrabung dann vorbei war?»
    «Ging das Leben weiter.»
    «Und Sie haben wieder als Briefträger gearbeitet?»
    «Nein. Ich habe eine andere Stelle bekommen.»
    «Und wo?»
    «An der Universität. Da arbeite ich auch heute noch.»
    Nelson sieht Ruth an, die seinen Blick fassungslos erwidert. Dann hat Cathbad also all die Jahre ganz in ihrer Nähe an der Universität gearbeitet. Ob Erik davon gewusst hat?
    «Als was?»
    «Als Laborassistent. Ich habe ursprünglich Chemie studiert.»
    «Haben Sie mitbekommen, dass Lucy Downey verschwunden ist?»
    «Ich denke schon. Die Zeitungen waren ja damals voll davon, nicht?»
    «Und was ist mit Scarlet Henderson?»
    «Wer? Ach, das kleine Mädchen, das neulich verschwunden ist. Ja, das habe ich auch mitbekommen. Aber hören Sie, Inspector   …» Sein Ton verändert sich, und er richtet sich hoch auf seinem Thron auf. «Worum geht es hier eigentlich? Es gibt keinerlei Verbindung zwischen mir und diesen beiden Mädchen. Das ist doch reine Schikane.»
    «Nein», erwidert Nelson sanft. «Nur eine Routinebefragung.»
    «Ich sage nichts mehr ohne einen Anwalt.»
    Ruth rechnet mit weiteren Gegenargumenten von Nelson, zumindest dem Hinweis darauf, dass nur Schuldige einen Anwalt brauchen, doch Nelson steht einfach auf und stößt dabei mit dem Kopf an einen Traumfänger. «Danke,dass Sie sich die Zeit genommen haben, Mr.   Malone. Nur eine Bitte noch. Würden Sie mir eine Handschriftprobe von sich überlassen?»
    «Eine Handschriftprobe?»
    «Ja. Für die Ermittlungen.»
    Cathbad scheint drauf und dran abzulehnen, doch dann erhebt er sich langsam und geht zu einem Aktenschrank hinüber, der wie ein Fremdkörper in einer Ecke des Wohnwagens steht. Er schließt eine Schublade auf und nimmt ein Blatt Papier heraus. Ruth überlegt, wozu ein Mann, der in einem Wohnwagen voller Traumfänger lebt, wohl einen abschließbaren Aktenschrank braucht.
    Nelson wirft einen Blick auf den Text, und einen Augenblick lang verdüstert sich seine Miene. Ruth sieht, wie er den Kiefer anspannt, und wappnet sich bereits für das, was kommen wird. Doch dann faltet Nelson nur das Blatt zusammen und sagt in neutralem, höflichem Ton: «Herzlichen Dank, Mr.   Malone.

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