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Totenpfad

Totenpfad

Titel: Totenpfad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elly Griffiths , Tanja Handels
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klugen, reizenden, gutaussehenden Peter – damals angeschaut und sich gefragt hat: «Ist das alles? Muss ich mich jetzt mit diesem netten Mann zufriedengeben, dessen Berührungen ich manchmal gar nicht mehr spüre?»
    Doch Peter hat wieder seine rosarote Brille auf. «Wir beide, wir hatten so viel gemeinsam», sagt er versonnen. «Archäologie, Geschichte, Bücher. Victoria ist einfach keine Intellektuelle. Das Einzige, was sie liest, ist die
Hello

    «Das klingt jetzt aber sehr herablassend», sagt Ruth.
    «Versteh das bitte nicht falsch», fährt Peter hastig fort. «Victoria ist eine wunderbare Frau. Sehr warmherzig und liebevoll.» . (Dann hat sie also zugenommen, denkt Ruth.) «Ich habe sie wirklich gern, und Daniel lieben wir beide sehr, aber wir führen einfach keine Ehe mehr. Im Grunde leben wir wie in einer WG zusammen, kümmern uns gemeinsam um das Kind und um den Haushalt und redennur noch darüber, wer Daniel am nächsten Tag abholt und wann die nächste Lieferung von Tesco kommt.»
    «Was hast du denn geglaubt, worüber ihr reden würdet? Renaissancebauwerke? Die Werke von Robert Browning?»
    Peter grinst. «So was in der Art, ja. Wir haben doch auch geredet, oder? Weißt du noch, die Nächte am Lagerfeuer, als wir darüber diskutiert haben, ob die Jungsteinzeitmenschen nun Jäger und Sammler oder Bauern waren? Du hast immer behauptet, die Frauen müssten die Jägerinnen gewesen sein, und dann hast du dich an dieses Schaf herangeschlichen, um uns zu zeigen, wie sie es gemacht haben.»
    «Und bin der Länge nach im Schafmist gelandet», setzt Ruth ungerührt hinzu. Sie beugt sich vor. Plötzlich scheint es enorm wichtig, dass Peter begreift. «Hör mal, Peter, die Ausgrabung ist zehn Jahre her. Damals war es so, wie du sagst, aber heute ist es anders. Wir haben uns verändert. Wir hatten eine Beziehung, und die war wunderbar, aber sie ist Vergangenheit. Es führt kein Weg mehr dorthin zurück.»
    «Wirklich nicht?» Peter sieht sie eindringlich an. Seine Augen wirken dunkel, fast schwarz im Kerzenlicht.
    «Wirklich nicht», antwortet Ruth sanft.
    Peter mustert sie ein paar Minuten lang schweigend, dann lächelt er. Es ist ein anderes Lächeln, zarter und sehr viel trauriger. «Na, dann besaufen wir uns eben», sagt er und beugt sich vor, um ihr Wein nachzuschenken.
     
    Als Ruth später ins Auto steigt, ist sie zwar nicht betrunken, aber eigentlich auch nicht mehr so recht fahrtüchtig.
    «Fahr vorsichtig», sagt Peter, der seinerseits auf einen recht neu aussehenden Alfa Romeo zusteuert. Ein Midlifecrisis-Symptom?
    «Mach ich.» Ruth ist froh, dass sie jetzt nicht mehr dietückische New Road mit dem stockdunklen Sumpfland ringsum vor sich hat. Bis zu Shonas Haus sind es nur ein paar Minuten, das wird sie schon hinkriegen. Sie fährt langsam, hält sich hinter anderen, weniger unsicheren Fahrern. Im Radio redet jemand über Gordon Brown: «Er möchte, dass alles wieder so wird wie früher.» Geht uns das nicht allen so?, denkt Ruth, während sie nach links in Shonas Straße einbiegt. Trotz ihrer klaren Worte hat sie doch Verständnis für Peter und seine Sehnsucht nach der Vergangenheit. Es ist ein verlockender Gedanke, zu Peter zurückzugehen und endlich zu akzeptieren, dass der namenlose perfekte Mann niemals auftauchen wird, dass Peter das Beste ist, was sie kriegen kann, etwas sehr viel Besseres sogar, als sie eigentlich verdient. Was hält sie also ab? Die Schatten von Victoria und Daniel? Oder etwa Nelson? Sie weiß, dass aus der Nacht mit Nelson nichts Ernstes werden kann. Und doch ist die Vorstellung, mit Peter ins Bett zu gehen, vor allem tröstlich und vertraut – aber kein bisschen aufregend.
    Sie findet einen Parkplatz vor dem indischen Schnellimbiss, geht zu Fuß zu Shonas Haus und wirft aus reiner Gewohnheit einen Blick auf ihr Handy. Nur eine SMS:
    ICH WEISS, WO DU BIST.

19
    Scarlet Henderson wird an einem düsteren, verregneten Freitagnachmittag beigesetzt. Ruth muss an eine Zeile aus einem Folk-Song denken: «I danced on a Friday when the sky turned black.» An diesem Tag jedenfalls scheint selbst der Himmel um Scarlet Henderson zu weinen: Seit dem frühen Morgen regnet es unablässig.
    «Beerdigungen am Freitag bringen Unglück», sagtShona, während sie vom Wohnzimmerfenster aus dem Regenwasser zusieht, das in Strömen die Straße entlangfließt.
    «Großer Gott», sagt Ruth gereizt. «Kannst du mir mal erklären, wann eine Beerdigung jemals Glück bringt?»
    Es ist unfair, Shona

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