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Totenpfad

Totenpfad

Titel: Totenpfad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elly Griffiths , Tanja Handels
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so lange, bis es ernst wurde.»
    «Shona?», flüstert Ruth. «Das kann nicht sein.»
    «Ach nein?» Cathbad mustert sie mit schiefgelegtem Kopf, während Ruth hastig ihre Erinnerung durchforstet. Shona und Erik haben einander immer gemocht. Ernannte sie «die Lady von Shalott» nach dem Gemälde von Waterhouse. Dann steht Ruth plötzlich ein Bild vor Augen, so klar wie eine Rückblende im Film: Shona, die Eriks langen Pferdeschwanz zu einem Zopf flicht. «Wie ein Pferd», sagt sie. «Ein Wikinger-Zugpferd.» Und dabei liegt ihre Hand ganz leicht an seiner Wange.
    Cathbad lächelt zufrieden. «Sie müssen mich rehabilitieren, Ruth», sagt er.
    «Ich dachte, die Polizei hat keine Anklage erhoben.»
    «Stimmt, ich wurde nicht des Mordes angeklagt. Aber falls sie den Mörder nicht finden, werde immer ich es gewesen sein, verstehen Sie? Alle Welt wird auf ewig glauben, dass ich es war, dass ich die beiden kleinen Mädchen umgebracht habe.»
    «Waren Sie es denn?», fragt Ruth todesmutig.
    Cathbad hält ihrem Blick stand. «Nein», sagt er. «Und Sie müssen für mich herausfinden, wer es war.»

 
    Er ist wieder da. Als sie ihn durch die Falltür heruntersteigen sieht, weiß sie kaum, ob sie sich freuen oder Angst haben soll. Auf jeden Fall ist sie hungrig. Sie fällt über das Essen her, das er mitgebracht hat – Chips, Butterbrote und einen Apfel   –, und stopft sich den nächsten Bissen schon in den Mund, bevor sie den ersten ganz geschluckt hat.
    «Langsam», sagt er. «Sonst wird dir noch schlecht.»
    Sie gibt ihm keine Antwort. Sie spricht fast nie mit ihm. Das Reden hebt sie sich für die Zeit auf, wenn sie allein ist, und das ist sie ja meistens. Dann kann sie in Ruhe mit den freundlichen Stimmen in ihrem Kopf plaudern, die ihr sagen, es gäbe Licht am Ende des Tunnels.
    Er gibt ihr aus einer komischen orangen Flasche zu trinken. Die Flüssigkeit schmeckt seltsam, trotzdem trinkt sie gierig. Einen Augenblick fragt sie sich, ob vielleicht Gift darin ist, so wie in dem Apfel, den die böse Königin Schneewittchen zu essen gegeben hat; aber sie ist so durstig, dass ihr auch das egal ist.
    «Tut mir leid, dass ich nicht früher kommen konnte», sagt er. Sie beachtet ihn nicht, sondern kaut weiter an ihrem Apfel, verzehrt ihn mit Stumpf und Stiel.
    «Tut mir leid», sagt er noch einmal. Er sagt das oft, aber sie weiß im Grunde gar nicht, was es heißen soll. Es ist ein Ausdruck aus der alten Zeit, so wie «Ich hab dich lieb» oder «Gute Nacht». Was bedeutet das jetzt noch? Das weiß sie nicht. Sie weiß nur, dass es nichts Gutes sein kann, wenn er es sagt. Er ist kein guter Mensch, davon ist sie inzwischen überzeugt. Anfangs war sie sich noch nicht ganz sicher, er hat ihr ja zu essen und zu trinken
gegeben und eine Decke für die Nacht, und manchmal hat er auch mit ihr geredet. Sie hat geglaubt, das wäre gut. Inzwischen glaubt sie, dass er sie hier gefangen hält, und das ist nichts Gutes. Wenn er durch die Falltür hinauf in den Himmel klettern kann, warum darf sie das dann nicht auch? Seit sie größer ist, versucht sie manchmal, zu der Tür und dem vergitterten Fenster hochzuspringen, aber es ist ihr nie gelungen. Eines Tages vielleicht, wenn sie immer größer und größer wird, so groß und lang wie   … wie heißt das noch? Baumlang, genau, so heißt es. Dann wird sie ihre Zweige durch das Loch nach draußen strecken und immer weiter, immer weiter hinauf, bis dahin, wo sie die Vögel singen hört.
    Als er fort ist, gräbt sie ihren scharfen Stein aus und fährt sich mit der Kante über die Wange.

20
    Ruth erwacht aus wirren Träumen, als es laut an ihre Haustür klopft. Noch ganz verschlafen taumelt sie nach unten. Draußen steht Erik. Er trägt alte Armeekleidung und einen leuchtend gelben Südwester.
    «Einen wunderschönen guten Morgen», ruft er so vergnügt wie ein aufgedrehter Animateur. «Kriege ich einen Kaffee?»
    Ruth lehnt sich an den Türrahmen und überlegt, wer hier übergeschnappt ist: er oder sie? «Erik», sagt sie mit schwacher Stimme, «was in aller Welt machst du hier?»
    Erik sieht sie fassungslos an. «Die Ausgrabung», sagt er. «Wir fangen doch heute an.»
    Eriks Ausgrabung. Natürlich. Die Ausgrabung, die Nelson genehmigt hat. Die das Rätsel der Eisenzeitleiche und des versunkenen Dammwegs klären soll und offenbaren wird, ob der Salzsumpf noch weitere Geheimnisse birgt.
    «Ich wusste nicht, dass das heute ist.» Ruth geht ins Haus zurück, Erik folgt ihr und reibt sich

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