Totenprinz - Westendorf, C: Totenprinz
vielmehr an Deinen Augen gelegen hat. In keinem Fall möchte ich Dich verschrecken oder in Schwierigkeiten bringen. Du bestimmst das Tempo und auch den Zeitpunkt, zu dem wir uns treffen. Geht es Dir gut?
Fragt sich ebenso hoffnungsvoll
Cornelius.
P.S. Gefällt Dir meine Idee mit der Feder, oder findest Du sie ganz und gar lächerlich?
»Bingo, jetzt hängt sie am Haken«, murmelte er gut gelaunt, während er Helenas E-Mail zusammen mit seiner Antwort von der Festplatte löschte. Obwohl er wusste,
dass er ein hohes Risiko einging, wenn er seine privaten Mails im Büro checkte, ließ er es doch nicht bleiben. Verschaffte ihm doch genau dieser Umstand zusätzlichen Nervenkitzel.
Helena, du meine Güte, wie bescheuert das klang. Die blöde Kuh schlug ihre Zeit im Supermarkt tot und hatte dabei nichts Besseres zu tun, als sich über den armen Kerl, der sie ernährte, auch noch lustig zu machen. Eine einfältige Hausfrau, die sich aus einer Laune heraus plötzlich so fühlen wollte wie eine griechische Heldin und sich nach einem Mann sehnte, der wie ein Adler sein sollte. Andererseits war er durch ihr dummes Gerede, das er im Supermarkt zufällig mit angehört hatte, überhaupt erst auf sie aufmerksam geworden. Ja, manchmal hatte er wirklich Glück, und es war eine gute Idee gewesen, sich danach an ihre Fersen zu heften und so herauszubekommen, wie sie hieß und wo sie wohnte. Der nächste Glücksfall hatte darin bestanden, dass das Foto, das sie bei »Gute Männer für Sie« eingestellt hatte, tatsächlich sie und nicht irgendeine andere Frau zeigte. Amanda, die sich hinter dem Pseudonym »Helena« verbarg, musste sich wirklich nicht verstecken. Sie hatte beinahe so viel Klasse wie sein Audrey-Hepburn-Verschnitt, den er vor ein paar Tagen klargemacht hatte. Es war ihm eben doch nicht gleichgültig, ob er sich mit einem ausgeleierten oder einem attraktiven Frauenarsch vergnügte. In jedem Fall aber hatte er das beste aller Hobbys für sich gefunden. Und schon jetzt empfand er eine diebische Vorfreude, wenn er sich den Moment vorstellte, in dem seine griechische Heldin erkannte, dass ihr Künstler mit dem klangvollen Namen Cornelius alles andere als ein Traumprinz war.
Ein Klopfen an der Tür holte ihn augenblicklich in die Gegenwart zurück.
»Ich wollte gleich auf einen Kaffee in die Kantine hinüber«, steckte Martin Volkers seinen Kopf zur Bürotür herein. »Kommen Sie mit?«
»Sehr gern«, nickte er zustimmend, während er den Computer ausschaltete und dabei erleichtert feststellte, dass sein ungeliebter Kollege nichts von seinen privaten Spielchen mitbekommen hatte. Normalerweise war er es gewohnt, in einem Einzelbüro zu arbeiten, doch in dieser Abteilung war nicht nur die Kollegenschaft, sondern leider auch das Raumangebot sehr beschränkt.
»Und, haben Sie sich mittlerweile schon etwas bei uns eingelebt?«, fragte Martin Volkers höflich, als sie kurz darauf in der Kantine einander gegenübersaßen.
»Sehr gut sogar, was einem bei dem guten Betriebsklima, das hier herrscht, ja auch nicht weiter schwerfällt«, bejahte er freundlich. Amüsiert beobachtete er, wie sein kahlköpfiger Kollege nun krampfhaft nach einer Formulierung rang, die seine Neugier so gut wie möglich verbarg. Ihm war natürlich vollkommen klar, dass Martin Volkers nur deshalb an einem Tisch mit ihm saß, weil er seine Position durch ihn bedroht sah und sich daher vorgenommen hatte, so viel wie möglich über ihn in Erfahrung zu bringen.
»Wo sind Sie denn vorher beschäftigt gewesen, wenn ich fragen darf?«
»Ich habe in Hessen gearbeitet, und zwar ebenfalls für unseren Verein. Aber die Luft ist so stickig in dieser Gegend, und der Smog lag so oft über Frankfurt, dass ich mich wieder auf meine Wurzeln besonnen habe. Ich brauche
eben einfach frischen Wind um die Nase, damit ich mich auf Dauer an einem Ort wohlfühlen kann.«
»Schön, dass Sie längerfristig bei uns bleiben wollen. Sie sind für unsere Abteilung wirklich ein großer Gewinn.«
»Das hört man gern«, erwiderte er und räumte die Reste ihrer gemeinsamen Kaffeepause auf das Förderband der Geschirrrückgabe. Als er anschließend erneut zusammen mit Martin Volkers im Büro an der Arbeit saß, bot er dem Kahlkopf großzügig ein paar seiner Lakritzschnecken an. Hinterher zeigte ihm ein flüchtiger Blick auf den nunmehr friedlich kauenden Blödmann, dass der sich nun tatsächlich in Sicherheit wiegte. Nicht nur die Weiber waren hier im Norden attraktiver als in
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