Totenprinz - Westendorf, C: Totenprinz
es ist doch viel zu kalt zu dich«, lächelte er freundlich, um ihr den Mantel sogleich um die Schultern zu legen. »Was gibt es denn Schönes zu essen?«
»Lass dich überraschen«, brachte Amanda mühsam hervor und hetzte schnell ins Schlafzimmer hinauf. Tränen liefen ihr über das Gesicht, während sie am Reißverschluss ihres Kleides zerrte, anschließend in ihre alten Jeans schlüpfte und danach den dunkelgrünen Wollpullover überzog. Bevor sie wieder nach unten ging, atmete sie mehrmals tief ein und aus und nahm sich fest vor, sich ihre Enttäuschung auf keinen Fall anmerken zu lassen. Auch wenn sie sich tief gedemütigt fühlte, wollte Amanda das nun folgende Essen mit Haltung hinter sich bringen.
»Eigentlich ist es ganz nett geworden«, meinte Max großmütig, als er sich wenig später während des Essens im Wohnzimmer umsah und dabei seine Krawatte lockerte. »Trotzdem sollten wir jetzt kein Holz mehr nachlegen, schließlich sind wir hier nicht in der Sauna.«
Amanda nickte und trug schweigend die Erdbeeren und die selbst gemachte Zabaione auf. Aber als Max, kaum dass er seinen Nachtisch verspeist hatte, zum Fernseher hinüberging, um es sich davor gemütlich zu machen, war es mit Amandas gespielter Gelassenheit vorbei.
»Weißt du überhaupt, wie verletzend dein Verhalten ist?«, schrie sie ihn außer sich vor Zorn an.
»Tut mir leid, meine Liebe, aber ich stehe eben nicht auf derart gewollte Inszenierungen«, erwiderte Max ungerührt. »Allerdings kann ich mir schon vorstellen, was dahintersteckt. Und du hast auch Recht, Amanda, wir beide haben tatsächlich schon seit längerem nichts Besonderes mehr unternommen. Ich werde mir bei Gelegenheit etwas Schönes für dich einfallen lassen«, zwinkerte er ihr zu.
Anschließend stellte er den Ton des Fernsehers lauter, um den Anstoß des Champions-League-Fußballspiels, das er sehen wollte, nicht zu verpassen.
»Nein, Max, so geht das nicht, sprich mit mir!«
»Ich will dir wirklich nicht wehtun, Amanda, aber mir kommt das Ganze hier so vor, als hättest du eine solche Szene in einer deiner Liebesschnulzen gesehen und nun nachgestellt. Vielleicht hast du den Tipp dafür auch von irgendeiner deiner Freundinnen als Rezept gegen nachlassende Leidenschaft in der Ehe bekommen. Doch was bei deren trotteligen Männern unter Umständen Wirkung zeigt, kommt bei mir leider überhaupt nicht an.«
Mit einem letzten, nunmehr aber alles andere als freundlichen Blick drehte Max den Ton des Fernsehers noch etwas lauter, gähnte, streckte die Arme in die Höhe und legte gleichzeitig seine Beine gemütlich auf dem Hocker vor dem Fernsehsessel ab.
Amanda stand sprachlos daneben. In diesem Moment hätte sie Max am liebsten ins Gesicht geschlagen, gleichzeitig hatte sie nur noch den Wunsch, so schnell wie möglich aus dem Haus zu kommen. Amanda riss ihren Mantel von der Garderobe, stieg in ihr Auto und fuhr stundenlang ziellos durch die Gegend. Sie konnte jetzt mit niemandem reden, nicht einmal mit ihrer Freundin Doris. Und um sich alleine in irgendeine Bar zu setzen und gehörig zu betrinken, fehlte ihr der Mut.
Als Amanda in den frühen Morgenstunden wieder zurückkehrte, standen die Reste ihres Essens noch immer auf dem Tisch. Von Max war dagegen bis auf die Hinterlassenschaften des vergangenen Fernsehabends – drei geleerte Bierflaschen, die neben seinem Fernsehsessel auf dem Teppich standen – nichts zu sehen. Er war bereits vor einer ganzen Weile schlafen gegangen.
Ein paar Tage später hatte er Amanda großzügig zum Abendessen eingeladen. In das kleine, sündhaft teure französische Restaurant, von dem Amanda seit Monaten immer wieder geschwärmt hatte, weil sie es, wie die meisten ihrer Freundinnen, endlich auch einmal besuchen wollte. Danach hatten sie sich noch eine Liebesschnulze im Kino angesehen. Einen dieser Filme mit viel Pathos und jeder Menge durchsichtiger Verwicklungen, die über einen spärlichen Inhalt hinwegtäuschen sollten und die Amanda gerade deshalb so gut gefielen.
Am vierten Tag seit ihrem letzten Kontakt mit Cornelius begann Amandas Sehnsucht die Oberhand zu gewinnen.
Sie schrieb:
Hallo Cornelius,
Du hast echt ein Talent, mich aus der Ruhe zu bringen.
Verwirrt, hoffnungsvoll und trotzdem noch immer ärgerlich,
Helena.
Cornelius antwortete sofort:
Liebe Helena,
ich bin wirklich froh, von Dir zu hören. Meine Fantasie ist neulich mit mir durchgegangen, sorry noch mal. Ich weiß bis heute nicht, ob das an meiner Arbeit oder
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