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Totenprinz - Westendorf, C: Totenprinz

Totenprinz - Westendorf, C: Totenprinz

Titel: Totenprinz - Westendorf, C: Totenprinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Westendorf
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war.
    Er verstand nicht, was er falsch gemacht hatte. Schließlich hatte er nur das getan, was auch die Amsel mit ihren Jungen im Nest tat.
    Seine erste Erinnerung an Mucki, wie die Eltern den Bruder zärtlich nannten, war der Beginn einer ganzen Reihe weiterer Fehler und Versäumnisse seinerseits gewesen. Denn was er sich auch immer einfallen ließ, schien falsch zu sein, bis ihm die Mutter irgendwann den Kontakt mit dem Bruder gänzlich verbot.
    »Wenn du Mucki noch einmal zu nahe kommst, weiß ich nicht, was ich tue!«, schrie sie ihn unter Tränen an.
    Auch sonst hatte es viele Verbote gegeben, und fast alles, bis hin zur Auswahl seiner Kleidung oder dem Zeitpunkt, zu dem er sein Zimmer aufzuräumen hatte, war von den Eltern bestimmt worden. Überall hielten
sie den Daumen drauf, nahmen ihm jede Kleinigkeit ab und ließen so gut wie keine Eigeninitiative zu. Bis er sich schließlich überhaupt nichts mehr zutraute und vor jeder noch so unbedeutenden Entscheidung nichts als Angst spürte.
    Nein, er war es endgültig leid, in einem fort auf sich herumtrampeln zu lassen. Aber selbst wenn er viel zu lange gebraucht hatte, um seine Befreiung anzugehen, konnte er inzwischen stolz auf sich sein. Hatte er doch endlich damit begonnen, sich zu wehren.
     
    Als Anna gegen neunzehn Uhr den Maschener Hof betrat, war das Wirtshaus bereits gut besucht. Die Kommissarin schaute sich suchend nach ihrer Freundin um und fand Paula zusammen mit dem harten Kern des Maschener Tennisclubs im Nebenraum, der in der Regel nur für geschlossene Gesellschaften genutzt wurde. Paula saß, eine riesige Portion Muscheln vor sich, an einem der großen Holztische und gab gerade eine ihrer Geschichten zum Besten. Wie immer stand sie dabei im Mittelpunkt des Interesses, denn wenn Paula erst einmal zu erzählen begann, zog sie stets alle Anwesenden in ihren Bann. Als Anna näher kam, sprang Paula von ihrem Stuhl auf und kam der Freundin lächelnd entgegen. Seit der schrecklichen Geschichte im letzten Jahr, in der Paula von Elsa Hollstein, einer Serienmörderin, die sie aus ihrer Schulzeit kannte, betäubt, niedergeschlagen und schwer verletzt worden war, hinkte sie leicht auf dem rechten Bein. »Schön, dass du noch gekommen bist«, begrüßte sie Anna und ging mit ihr an den Tisch zurück, wo sie einem Schönling mit Zopffrisur auf die
Schulter tippte. »Basti, mach bitte Platz für meine Freundin. So, und jetzt iss erst mal in Ruhe«, schob sie Anna kurz darauf einen tiefen Teller voller Miesmuscheln hinüber.
    Kaum dass Anna die erste Muschel auf der Zunge hatte, fühlte sie sich auch schon besser. Schweigend genoss sie jede einzelne, bis sie so satt war, dass sie sich kaum mehr rühren konnte.
    »So gefällst du mir«, rutschte Paula näher an ihre Freundin heran. »Endlich bist du mal entspannt und im Hier und Jetzt. Ich finde, du solltest viel öfter versuchen, den Moment zu genießen. Auch wenn sich deine Situation dadurch nicht grundsätzlich ändert, weißt du doch, meine Schöne, dass unser Leben aus nichts anderem besteht als aus Momenten. So, und darauf trinken wir jetzt«, Paula drehte sich mit ihrem leeren Schnapsglas in der Hand nach der Kellnerin um. »Elfie, bringst du uns noch eine Runde?«
    Zwei Stunden später hatte sich die Gesellschaft aufgelöst, und Paula und Anna saßen nun allein an dem großen Tisch.
    »Und wie läuft es bei dir zu Hause?«
    »Nun, obwohl Tom und ich neulich einen netten Abend miteinander verbracht haben, gehen wir uns nach wie vor aus dem Weg. Er ist unglaublich empfindlich geworden, kümmert sich kaum um die Familie und regt sich wegen jeder Kleinigkeit auf. Tom hat sich verändert, Paula, und ich glaube, das Gleiche gilt auch für mich.«
    »Willst du denn überhaupt noch mit Tom zusammen sein, Anna? Seit der Geschichte mit Jan bist du doch nur noch damit beschäftigt, irgendetwas auszuhalten,
anstatt zu leben! Ich habe mir deinen Eiertanz mit Jan wirklich lange genug angesehen, ohne etwas dazu zu sagen. Aber jetzt ist Schluss damit, Anna! Ruf Jan endlich an, verabrede dich mit ihm, und finde endlich heraus, was du wirklich von ihm willst.«
    »Ja, vielleicht sollte ich das tun. Denn manchmal fange ich vor lauter Liebesbedürftigkeit schon komplett zu spinnen an. Neulich, während der Ermittlung auf einer Tanzveranstaltung, habe ich mich dabei ertappt, wie ich mich einen Moment lang in die Arme eines wildfremden Mannes geträumt habe. Und das nur, weil er einigermaßen sympathisch wirkte, attraktiv war

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