Totenprinz - Westendorf, C: Totenprinz
und gut tanzen konnte. Paula, hältst du es für möglich, dass man einfach aufhört, jemanden zu lieben?«
»Klar ist das möglich. Also geht es am Ende gar nicht um Jan, sondern wieder einmal um Tom?«
»Wenn ich eine Ahnung hätte, worum es geht, würde ich nicht hier sitzen und schon wieder anfangen, mich mies zu fühlen. Ich traue mich schon gar nicht mehr, über alles nachzudenken. Immerhin habe ich mich um Paul und Ben zu kümmern, ein Haus mit allem Drum und Dran, Verwandte, gemeinsame Freunde, den Hund und was sonst noch so alles an einer Ehe hängt.«
»Trotzdem wärst du nicht die Erste, die eine ausgelebte Liebe hinter sich lässt. Schließlich hast du Tom geheiratet, weil es sich für dich richtig anfühlte und nicht wegen irgendwelcher Sachzwänge, oder? Also hör endlich auf zu jammern, und geh die Sache an!«
»Der Kunde, den Martin Wittkamp am Abend des ersten Mordes in Elmshorn besucht hat, hat dessen Angaben
weitgehend bestätigt«, berichtete Anna Weber am nächsten Morgen. »Allerdings erinnert er sich nicht mehr daran, wie lange der Termin gedauert hat. Das heißt, Wittkamp könnte sich nach dem Treffen und der anschließenden Rückfahrt sehr wohl mit Monika Jacobsen an der Elbe verabredet haben.«
»Wir müssen abwarten, was die Gegenüberstellung mit Rudolf Wallner bringt«, entgegnete Weber. »Ich bin gestern nach Feierabend noch auf einen Sprung rüber ins Holi-Kino gefahren und habe dem Personal dort ein Foto von Martin Wittkamp unter die Nase gehalten. Aber wie erwartet, konnte sich bei dem Trubel, der dort abends herrscht, niemand an ihn erinnern. Immerhin wissen wir jetzt, dass ›Slumdog Millionaire‹ tatsächlich zur fraglichen Zeit im Kinosaal eins gelaufen ist.«
»Ich muss schon sagen, es besteht eine gewisse Ähnlichkeit zwischen dem Mann hinter der Glasscheibe und unserem Gast«, meinte Rudolf Wallner wenig später bei der Gegenüberstellung. »Es ist der gleiche Männertyp. Allerdings hat der Mann dort drüben«, er deutete auf Martin Wittkamp, »pechschwarze, kurze Haare, während das Haar von Monika Jacobsens Begleiter länger und an einigen Stellen bereits ergraut war.«
»Ein Unterschied, der sich durch einen Friseurbesuch schnell beheben lässt«, gab Weber zu bedenken. »Stellen Sie ihn sich doch einmal mit einem anderen Schnitt und schwarzen Haaren vor.«
»Hmm«, machte Wallner, »ich bin mir nicht sicher, Herr Kommissar. Könnte der Mann vielleicht einmal aufstehen?«
Anna verließ das Büro und ging zu Martin Wittkamp in den Verhörraum.
»Ich habe noch eine letzte Frage, danach sind wir auch schon fertig«, sagte sie. »Welchen Heimweg haben Sie an dem Abend, als Sie Monika Jacobsen kennenlernten, genau genommen, nachdem Sie das Curiohaus verlassen hatten?«
Sie breitete einen Hamburger Stadtplan vor sich auf dem Tisch aus.
»Würden Sie mir die Strecke bitte auf der Karte zeigen?«
Martin Wittkamp stand auf, kam um den Tisch herum und beugte sich zusammen mit Anna über den Stadtplan.
Währenddessen beobachtete Rudolf Wallner hinter der Trennscheibe aufmerksam jede von Wittkamps Bewegungen.
»Der Mann, der unser Restaurant besucht hat, ist auf jeden Fall etwas größer und auch kräftiger gewesen. Nein, tut mir leid, Herr Kommissar, aber dieser Mann war es nicht. Jetzt bin ich mir ganz sicher.«
»Kommen Sie rüber, Anna, wir brechen ab«, rief Weber seine Kollegin aus dem Verhörraum.
»Danke, Herr Wallner, dass Sie sich heute zu unserer Verfügung gehalten haben«, verabschiedete er anschließend den Zeugen. »Möglicherweise werden wir Ihre Hilfe zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal brauchen.«
Auf der Fahrt nach Hause bog Anna kurz nach der Autobahnabfahrt in einen unbefestigten Feldweg ein und hielt an. Sie stieg aus dem Wagen, knöpfte sich den Mantel zu, band sich ihren Schal fest um den Hals und
ging ein paar Schritte in den Wald hinein. Tief sog sie die würzige Waldluft in ihre Lungen und hatte plötzlich große Lust, durch den Wald zu laufen. Früher hatte sie das oft getan und deshalb immer eine Tasche mit Sportkleidung im Auto gehabt, aber in der letzten Zeit war sie kaum noch dazugekommen.
Paula hat Recht, dachte Anna, ich muss endlich meinen Hintern hochkriegen. Zügig ging sie zu ihrem Wagen zurück, nahm ihr Handy aus der Freisprechkonsole und begann, Jans Nummer zu wählen. Sie wollte schon die letzte Zahl eintippen, als sie ihr Handy wieder zuklappte, sich auf die Motorhaube ihres Autos setzte und den Kopf in
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